Donnerstag, 2. November 2017

Medien in sozialer Verantwortung

Die jüngsten Erkenntnisse um russischen Einfluss bei den Präsidentschaftswahlen in den USA hat Jürgen Marks am 2.11. kommentiert:


Jürgen Marks sieht die "bisherigen Befürchtungen" belegt:
"Russland hat tatsächlich die Wahl von Donald Trump zum mächtigsten Mann der Welt durch Fake News in sozialen Online-Medien unterstützt.
Mehr als 120 Millionen Amerikaner haben bei Facebook, Google und Youtube manipulierte Berichte gelesen und Videos geschaut, die politische Lügen, Verdrehungen und falsche Behauptungen verbreitet haben."
Das rührt an den Grundfesten der Demokratie, weil es die politische Willensbildung der Bürger zur Farce werden lässt. Erschwerend hinzu kommt, dass es die Souveränität von Staaten untergräbt, wenn ausländische Mächte solch versteckten Einfluss ausüben.
In Deutschland habe es solche Vorkommnisse noch nicht gegeben, doch erste Ansätze gibt es:
"Doch auch in Deutschland nimmt die Zahl der russisch gesteuerten Nachrichten zu. Bei Deutschrussen beliebte Online-Medien mit Namen wie Sputnik und RT Deutsch sind gespickt mit Falschmeldungen."
Solche Falschmeldungen bringen Menschen auf die Straße, als beispielsweise ein russlanddeutsches Mädchen über Tage nicht auffindbar war. Zur Stimmungsmache taugen Falschmeldungen allemal und je nach Thema haben sie ein enormes Mobilisierungspotential.
Jürgen Marks sieht die "amerikanischen Plattformen [...] als Handlanger" eingespannt und schreibt:
"Kein verantwortungsvolles Medienhaus der demokratischen Welt hätte sich von den Online-Agenten aus dem Kreml derart benutzen lassen, wie es Google, Facebook und Co. getan haben."
Eingespannt ja, aber keinesfalls als Opfer. Jürgen Marks zeigt damit auf den Kern des Problems, wenngleich er ihn nicht trifft: Ist Google, ist Facebook ein "verantwortungsvolles Medienhaus" oder etwas anderes? Jürgen Marks zieht Parallelen zwischen diesen Plattformen und dem deutschen Verlagswesen:
"Zudem ist es an der Zeit, dass die Internet-Giganten aus dem Silicon Valley endlich die Verantwortung für die Inhalte auf ihren Plattformen übernehmen. In Deutschland ist sich jeder Verleger der Pflicht bewusst, Beiträge vor der Veröffentlichung zu prüfen."
Nun, ein Zeitungsverlag wird sich natürlich anschauen, was er veröffentlicht, weil es ja unter seinem Namen geschieht. Facebook hingegen sieht es nicht als eigene Veröffentlichung, sondern als eine des Nutzers. Der Vergleich hinkt also -  ein Telefonanbieter ist auch nicht verpflichtet, über seine Leitungen nur Wahrheiten zu schleusen. Oder: Ist der Inhaber eines Copy-Shop haftbar, wenn jemand seinen Nachbarn als pädophil denunziert und dafür 100 Kopien eines Pamphlets anfertigt, um sie im Dorf auszuhängen? Eben.
Jürgen Marks stellt die Frage:
"Was ist also falsch daran, bei Online-Plattformen ähnliche Maßstäbe anzulegen wie bei Verlagen?"
Vieles. Weil sie keine Plattformen sind, die Beiträge in eigener Verantwortung online stellen. Nur weil das Ergebnis (die Veröffentlichung) vergleichbar ist, sind es die Kontexte nicht. Dabei spielt es kaum eine Rolle, dass es schwierig sein mag, solche Konzerne zur Einhaltung lokaler Rechte zu verpflichten. Jürgen Marks schreibt weiter:
"Es wäre eine lohnende Aufgabe für die EU, die Fake-News-Schleudern in den Mitgliedstaaten zu stoppen."
Durchaus kann eine Regierung versuchen, Lügen zu unterbinden. Dass "Fake-News-Schleudern" oft keine Menschen, sondern "automatisierte Software-Schnipsel (Social Bots)" sind, macht das Problem drängender, weil die schiere Masse der Lügen bereits einen Eindruck von Wahrheit vermittelt.
Jürgen Marks sieht eine Lösung:
"Nur wenn tatsächlich geharnischte Strafen drohen, werden sich Google, Facebook, Twitter und Co. zu mehr Verantwortung und Transparenz bekennen. Die mächtigen Konzerne haben Milliardengewinne angehäuft. Ein Teil des Geldes für Filterprogramme und bessere Kontrollen der Inhalte einzusetzen, ist nicht zu viel verlangt."
Oh doch, das ist zu viel verlangt. Es obläge dann den Plattformen zu entscheiden, was bleibt und was gelöscht wird. Wer sagt denn, dass dies mit der Gewissenhaftigkeit eines verantwortungsvollen Verlegers geschähe? Man könnte nicht mehr über "Zinnsoldaten in Reih und Glied" schreiben, weil das sexuell anzüglich wäre. Oder wie beim Netzdurchsetzungsgesetz, das Plattform-Betreiber verpflichtet, Beiträge zu löschen, wenn sie gemeldet werden. Dass Beiträge gelöscht werden, die falsch sind, mag noch angehen. Dass Beiträge gelöscht werden, deren Wahrheit anderen missfällt, jedoch nicht. Auch wenn ich mich wiederhole: soziale Medien nennen sich Medien, sie sind aber keine Medien wie Zeitungen und Fernsehen.
Der Schlüssel liegt wo anders. Facebook und Co leben davon, dass Anwender möglichst viel Zeit auf der Plattform verbringen und mit möglichst viel Werbung konfrontiert werden bzw. mit ihr interagieren. Fake-News führen dazu, dass Anwender auf der Plattform gehalten werden, weil sie zum Lesen und Teilen und Kommentieren einladen. Das schafft ein Gruppengefühl, weil die Anwender bestimmte Themen ähnlich sehen, und das Gruppengefühl verleitet zum längeren Bleiben. Für die Plattform werden Fake-News erst dann zum Problem, wenn Anwender ihr den Rücken kehren wegen der Fake-News. Vielleicht ist es eine Frage der Bildung, wie anfällig Anwender für Fake-News sind. Vielleicht ist es eine Frage, wie viel Selbstwert Einzelne aus Likes ziehen. Letztendlich sind die sozialen Medien ein Spiegel unserer Selbst. Wenn Lügen als Mittel zur Durchsetzung von Interessen genutzt werden "wollen", werden sie es auch auf solchen Plattformen. Wir werden uns fragen müssen, wie viele Lügen wir akzeptieren und welche Konsequenzen wir ggfs. ziehen wollen. Fragwürdige Strafen und intransparente Filterprogramme sind es keinesfalls.

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