Donnerstag, 11. Mai 2017

Eingebrochen

Holger Sabinsky-Wolf hat in der Augsburger Allgemeinen vom 11.5. einen Leitartikel veröffentlicht zur Verschärfung von Gesetzen im Zusammenhang mit Einbruchskriminalität:


Einbrüche sind Straftaten, die neben materiellen Schäden große psychische Schäden verursachen. Holger Sabinsky-Wolf beruft sich auf die Statistik und gibt für 2016 über 150.000 Einbrüche an und nennt eine Aufklärungsquote von knapp 19% für Bayern, "einer der bundesweiten Spitzenwerte". Holger Sabinsky-Wolf schreibt weiter:
"Die Strafverschärfung auf mindestens ein Jahr Gefängnis für einen Einbruch in eine Privatwohnung gehört in die Abteilung kostenfreie Symbolpolitik. Wer glaubt, dass Mitglieder einer osteuropäischen Bande sich davon abschrecken lassen, liegt daneben. Zum einen, weil es auch nach bisheriger Rechtslage möglich war, solche Täter für zehn Jahre ins Gefängnis zu schicken. Zum anderen wissen diese Profis, dass sie selten erwischt werden."
Das kann ich nur unterstreichen: Die Verschärfung kommt nicht über Symbolik hinaus, sie schreckt keine potentiellen Täter und hilft den Opfern nicht. Die Regierung meint, dieses Symbol für den Wahlkampf einsetzen zu können.
Ein anderes Element der Gesetzesänderung hält Holger Sabinsky-Wolf für relevanter:
"Für die praktische Arbeit der Polizei ist die andere Änderung wichtiger: Einbrüche in Wohnungen gehören nun zu jenen Delikten, bei denen die Ermittler unter bestimmten Bedingungen die Vorratsdatenspeicherung nutzen dürfen. Bislang ist dieser Zugriff nur bei schweren Straftaten wie Mord, Vergewaltigung oder Bildung einer Terrorgruppe möglich. Noch besser wäre es zwar gewesen, wenn sich die Große Koalition dazu durchringen hätte können, dass die Fahnder auch die Inhalte von Telefonaten und Mails Verdächtiger überwachen dürfen. Aber immerhin. Das Instrument könnte helfen, mehr Täter zu fassen und Hintermänner zu entlarven."
Holger Sabinsky-Wolf glaubt, die Vorratsdatenspeicherung sei hilfreich bei der Aufklärung der Einbrüche. Dem ist zu widersprechen:

  • Die Süddeutsche Zeitung hat im Oktober 2015 beschrieben, wie leicht sich umgehen lässt, dass die Vorratsdatenspeicherung zielführende Daten sammeln kann. 
  • Im gleichen Artikel wird erwähnt, dass die Abfrage von Verbindungsdaten (ohne Vorratsdatenspeicherung) in 96% erfolgreich war.
  • Im gleichen Artikel wird auf eine Studie des Bundeskriminalamtes verwiesen, nach der die Aufklärungsquote um 0,006% steigen würde durch die Vorratsdatenspeicherung.
  • Bayern hat mit die höchste Aufklärungsquote. Ohne Vorratsdatenauswertung. Andere Bundesländer haben eine geringere Quote.
  • Die Vorratsdatenspeicherung oder der Abgriff der Inhalte ist unnötig, um Verdächtige zu überwachen. Das ist bereits möglich. Bei Einbrüchen hat die Polizei meist keine Verdächtigen, siehe Aufklärungsquote. Welche Inhalte und von welchen Beteiligten will Holger Sabinsky-Wolf auswerten, wenn er "die Inhalte von Telefonaten und Mails [...] überwachen" will?
Die unterschiedlichen Aufklärungsquoten in den Bundesländern legen die Vermutung nahe, dass es andere Faktoren sind, die die Aufklärungsquote beeinflussen als die Vorratsdatenspeicherung. Das könnte an mehr Polizisten gelegen haben. Oder an besseren Polizisten und besserer Polizeiarbeit. Oder an dümmeren Einbrechern. Ohne konkret benannt zu haben, was die unterschiedlichen Aufklärungsquoten in den Ländern verursacht, wird die Vorratsdatenspeicherung als vermeintliche Wunderwaffe propagiert. Es ist kaum mehr zu fassen, wie schnell und leichtfertig freiheitliche Bürgerrechte geopfert werden für ein Sicherheitsversprechen, das mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gehalten wird. Doch bis das klar wird, sind die Bürgerrechte sind bereits verkauft. Dass eine Regierung im Wahlkampfmodus darauf keine Rücksicht nimmt, mag verständlich sein. Dass Holger Sabinsky-Wolf sich dem anschließt, finde ich schade, zumal er ja die Strafverschärfung bereits als Symbol enttarnt hat.
Holger Sabinsky-Wolf schreibt:
"Doch diese Investitionen im Kampf gegen Einbruchskriminalität sollte sich der Staat leisten. Erst dann zeigt sich nämlich, ob die innere Sicherheit nur ein billiger Wahlkampfschlager oder ein echtes Anliegen ist. Die Politiker sollten eines bedenken: Wenn das Gefühl der Bedrohung durch ausländische Banden steigt, wenn das Sicherheitsgefühl leidet und gleichzeitig der Staat hilflos und schwach wirkt, dann treibt das die Menschen zu populistischen und extremen Parteien."
Ja, der Staat sollte sich wirksame Investitionen leisten. Vorratsdatenspeicherung ist "nur ein billiger Wahlkampfschlager". Den können populistische und extreme Parteien besser singen.
In einem weiteren Punkt irrt Holger Sabinsky-Wolf:
"Es spricht für die Kompetenz der bayerischen Staatsregierung in puncto innere Sicherheit, dass die Initiative vom Freistaat ausging."
Nein, die Initiative für ein solches Symbolgesetz spricht für keinerlei sicherheitspolitische Kompetenz. Die Initiative zeigt bestenfalls das - leicht durchschaubare - wahlkämpferische Geschick der CSU.

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