Mittwoch, 10. Mai 2017

Der Geist in der Bundeswehr

Rudi Wais hat am 10.5. in der Augsburger Allgemeinen einen Leitartikel veröffentlicht über Vorkommnisse bei der Bundeswehr und der Behauptung der Bundesverteidigungsministerin, es gäbe ein Führungsproblem:


Rudi Wais schreibt von einem falsch verstandenen Korpsgeist, der Franco A. und "einen weiteren Verbündeten in der Truppe viel zu lange" schützte. Er beschreibt Vorgänge als skandalös, "in denen Soldaten Opfer von sexuellen Übergriffen wurden oder entwürdigende Initiationsriten für Neulinge" durchlitten werden mussten. Er lehnt es ab, Franco A. als "Kronzeuge für eine rechtsextreme Unterwanderung der Truppe" zu benennen. Alles richtig, und deshalb ist seine Forderung zu unterstreichen:
"Mit einer Kultur der Offenheit, einem besseren Beschwerdemanagement, einer besseren Ausbildung der Ausbilder und einem zeitgemäßen Verständnis von Führung und Verantwortung. Ein Kommandeur, der Missstände in seiner Einheit unter den Teppich kehrt oder eine gewisse Härte im Umgang für eine militärische Notwendigkeit hält, ist nicht Teil der Lösung, sondern selbst Teil des Problems."
Zu Zeiten der Wehrpflicht war die Behauptung populär, die Bundeswehr sei ein Abbild der Bevölkerung. Wenn diese Hypothese weiter aufrecht gehalten wird, braucht sich niemand wundern, wenn auch in der Bundeswehr rechtes Gedankengut vorkommt. Immerhin bekommt eine AfD in Umfragen zur Sonntagsfrage derzeit etwa 10%. Nach Wegfall der Wehrpflicht könnte sich die Bundeswehr von einem Abbild der Bevölkerung entfernt haben und vor allem für solche Personen interessant geworden sein, die Gewalt als Lösungsoption bestimmter Probleme sehen und einer strikten Befehlshierarchie positiv gegenüberstehen. Rechtes Gedankengut steht nicht weit entfernt von einer solchen Sicht. Dies ist ohne genaue Untersuchung jedoch Kaffeesatzleserei. Eine pauschale Unterstellung, die Bundeswehr sei rechts, muss daneben gehen.
Genauso daneben geht jedoch die Entrüstung, mit der auf die pauschale Unterstellung reagiert wird. Denn es ist kaum plausibel, dass nur die öffentlich gewordenen Vorkommnisse stattgefunden haben sollen. Man darf eine Dunkelziffer unterstellen. Statt sich lautstark zu entrüsten, sollte die Bundeswehr ernsthaft die Hinweise aus den Vorkommnissen aufnehmen und sich ihrem internen Kulturverständnis zuwenden. Es geht nicht nur um ein zeitgemäßes "Verständnis von Führung und Verantwortung", nicht nur um ein besseres Beschwerdemanagement oder Ausbildung der Ausbilder. Es geht um Kameradschaft, um den Group Spirit. Team Building in der freien Wirtschaft kommt auch ohne Übergriffe und Erniedrigungen aus. Den Einstand feiert man ohne Schadenfreude. Das Bewusstsein, sich auf andere verlassen können, fußt nicht auf der Angst der anderen vor der Strafe, falls sie unzuverlässig sein sollten. Das Bewusstsein erwächst aus der Gewissheit des gegenseitigen Beistandes.
Allein der Verdacht, der Beruf des Soldaten könnte für Personen mit einem bestimmten Weltbild besonders attraktiv sein, sollte für die Bundeswehr der Auftrag sein, besonders genau hinzusehen und besonders empfänglich zu sein für Hinweise auf mögliche Verfehlungen einzelner. Wenn die Bundeswehr die Einzelfälle als Singularitäten abtut und nicht glaubwürdig vermittelt, in der Breite und Tiefe gegen Extremismus, Sexismus und entwürdigendes Dominanzgehabe vorzugehen, sind nicht nur einzelne Kommandeure Teil des Problems. Dann ist es der unselige Geist, der die Bundeswehr durchweht.

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