Sonntag, 27. September 2015

Viktor Orbán bei der CSU

Die Augsburger Allgemeine berichtet über den Besuch Viktor Orbáns bei der Klausurtagung der CSU in Kloster Banz:

Die CSU macht gemeinsame Sache mit einem in der Kritik stehenden Regierungschef. Grenzsicherung ist eine Maßnahme vor dem Hintergrund der Flüchtlingszahlen, auf die sich beide leicht einigen können. Wo Ungarn Zäune errichtet, begnügt sich Bayern mit der Kontrolle von Autobahnen. Die Wirksamkeit beider Maßnahmen ist eine Chimäre: Flüchtlinge umgehen den Zaun, weil sie ihre Route nun über Kroatien wählen. Flüchtlinge umgehen die Autobahnkontrollen, weil sie über kleine Straßen oder über Felder gehen.

Teilt Seehofer Orbáns Vision?

Die Einladung von Orbán auf die Klausurtagung der CSU wirft die Frage auf, wie nahe sich die CSU unter Seehofers Führung dem Ungarn fühlt. Dazu lohnt ein Blick auf eine Rede Orbans Mitte September auf dem 14. Kötcse civil picnic, die in englischer Übersetzung vorliegt:
"My position is that what we are experiencing now is the end of an era: a conceptual-ideological era. Putting pretension aside, we can simply call this the era of liberal babble. This era is now at an end, and this situation both carries a huge risk and offers a new opportunity. It offers the chance for the national-Christian ideology, way of thinking and approach to regain dominance – not only in Hungary, but throughout the whole of Europe. This is the opportunity. This will be the essence of my speech. Those who want more detail should not leave now, because I will now travel a long way before returning to the sentence which I have just said."
Er sieht den Untergang des "liberalen Geschwafels", den Aufstieg einer "national-christlichen Ideologie" "nicht nur in Ungarn, sondern in ganz Europa". Wobei sein Begriff von liberal weitreichend ist:
"The point is that today liberals dominate Europe; make no mistake, the conservatives in Europe today are also liberals"
Horst Seehofer als Liberaler? Wow!
"I am convinced that it is no longer possible in Europe to both see ourselves as good in the liberal sense and to live in prosperity. [...] There is no combination more dangerous than this. It is only a matter of time before someone comes along, notices your weakness, and takes what you have. This will definitely happen if you are unable to defend yourself. The liberal philosophy is a result of a Europe which is weak and which also wants to protect its wealth; but if Europe is weak, it cannot protect this wealth."
Er ist überzeugt, dass ein liberales Leben im Wohlstand nicht möglich sei. Ein schwaches Europa könne nicht seinen Wohlstand wahren.
"Therefore those Christian demands which are currently expressed as spiritual obligations are in my opinion correct when directed at citizens, but mistaken when directed at the state."
Christliche Werte - er bezieht sich auf das Teilen - seien für den Einzelnen machbar, nicht aber für Staaten, da so der gesamte Wohlstand im Staat gefährdet sei.
"Hungary – and now I do not want to speak for other countries, but I would like to think that most of Europe thinks as we do – must protect its ethnic and cultural composition."
Er ruft zur Verteidigung der ethischen und kulturellen Zusammensetzung auf. Hat er da vielleicht von Söders kultureller Statik abgeschaut? Wie Söder nimmt es auch Orbán nicht so genau - oder sehr genau - mit der Definition von Flucht vor Lebensgefahr im Gegensatz zu sog. Wirtschaftsflüchtlingen:
"Now we are inundated with countless immigrants: there is an invasion, they break down fences, and it is clear to us all that they are not seeking refuge, and are not running for their lives. [...] In fact it is not refuge in a life or death situation that they are seeking, but a better quality of life. In truth, they are not seeking safety."
"No one forced anyone out of a Turkish refugee camp – where life is not like that in Germany, but where there is no threat to one’s safety."
Wer dem Streubereich von Fassbomben entkommen ist, befände sich nicht mehr in Lebensgefahr.

Herr Seehofer, wie stehen Sie zu diesen Aussagen Viktor Orbáns? Ich frage, denn ein solches Europa ist nicht mein Europa.

Bsirske als Don Quijote

Die Augsburger Allgemeine berichtet über die Wiederwahl von Frank Bsirske als Chef der Gewerkschaft Verdi:

 
Verdi hat das Grundsatzreferat von Herrn Bsirske veröffentlicht. Er gibt darin an, was er unter guter Arbeit versteht:
"... ausgerichtet an den vier Prinzipien, die Gute Arbeit ausmachen:
Gute Arbeit muss gut bezahlt, sozial abgesichert und menschengerecht gestaltet sein.
Gute Arbeit umfasst gute Bildung, Qualifikations- und Entwicklungschancen. 
Gute Arbeit ist mitbestimmt und bietet den Beschäftigten Partizipationsmöglichkeiten. 
Und Gute Arbeit ist tariflich geschützte und gestaltete Arbeit, Kolleginnen und Kollegen."
Diesen vier Prinzipien kann grundsätzlich zugestimmt werden, wenngleich die letzten beiden deutlich gewerkschaftlich gefärbt sind. Die Frage ist, welche Realisierungschancen die Prinzipien haben im Kontext des im Referat dargestellten Umbruchs.
 

Umbruch der Arbeitswelt

Herr Bsirske stellt Besonderheiten der aktuellen Entwicklung dar:
"Der aktuelle Umbruch weist nämlich drei Besonderheiten auf: Erstens. Die Entwicklung der Roboter verläuft viel, viel schneller als gedacht. Das hohe Tempo der Innovation überrascht selbst Experten. Zweitens. Der Umbruch ist mittlerweile eng mit software- und plattform-basierten Geschäftsmodellen verbunden, die etablierte Unternehmen und ganze Branchen samt ihren Beschäftigten in schwere Turbulenzen stürzen und in ihrer Existenz gefährden - zu zertrampeln drohen, wie es da von der Westküste der USA hieß. Obendrein kommt, drittens, hinzu, dass der digitale Umbruch die Branchen gleichzeitig und nahezu flächendeckend erfasst."
Dieser Analyse zur Seite stellt er die Realität in Unternehmen:
"Ich sage das gerade im Hinblick auf die Managementkonzepte, die in vielen Betrieben Einzug gehalten haben und darauf zielen, die Beschäftigten autonomer und verantwortlicher arbeiten zu lassen. Höhere Verantwortung und höhere Autonomie aufseiten der Beschäftigten verbinden sich hier mit der Anforderung, die betrieblichen Prozesse ohne direkte Anweisungen und ohne den Blick auf die Uhr selbstständig zu meistern."
Die Untersuchung "Die Roboter kommen" der ING-Diba zeigt mögliche Auswirkungen der Digitalisierung auf Arbeitsplätze in Deutschland:
 
 
Im Durchschnitt seien 59% der sozialversicherungspflichtig und geringfügig Beschäftigten bedroht. Vor diesem Hintergrund hat Bsirske eine digitale Agenda dargestellt:
"Eine solche Agenda müsste aus ver.di-Sicht fünf zentrale Zielsetzungen haben: erstens die Verbesserung unseres Wissens über die voraussichtlichen Beschäftigungswirkungen der Digitalisierung, zweitens die Unterstützung der von Arbeitsplatzverlusten bedrohten und betroffenen Menschen, drittens die Verteilung der vorhandenen und zumindest vorübergehend wohl reduzierten Menge an Arbeit auf die Gesamtzahl der Erwerbssuchenden, viertens die gezielte Erschließung neuer Beschäftigung in gesellschaftlichen Bedarfsfeldern und schließlich, fünftens, die Umlenkung der immensen Produktivitäts- und Wohlstandszuwächse der digitalen Umwälzung zur Finanzierung der anstehenden gesellschaftlichen Aufgaben."

Möglichkeiten des energischen Kampfes

Die AZ leitet den Artikel ein mit dem Satz, Bsirkse habe zu einem "energischen Kampf" aufgerufen. Ich frage mich, welche Erfolgsaussicht ein solcher Kampf haben kann.
 

Moderne Managementkonzepte

Einerseits fordert Bsirske in seinen Prinzipien guter Arbeit Partizipationsmöglichkeiten. Moderne Managementkonzepte haben hierzu ihre eigene Lesart gefunden. Die Mitarbeiter wurden autonomer, ihr Verantwortungsbereich größer. Bsirske beschreibt die Auswirkung so:
"'Mehr Druck durch mehr Freiheit' - diese Formel bringt die Wirkung dieser Konzepte sehr gut auf den Punkt."
Zudem passt dieses Managementkonzept gut zum Individualitätsstreben westlicher Kulturen. Jeder strebt demnach nach Selbstverwirklichung, übernimmt Verantwortung für sich und sein Leben. Solche Konzepte sind also für Mitarbeiter attraktiv. Damit einher gehen natürlich gesteigerte Anforderungen an die Mitarbeiter. Es reicht nicht, fachlich gut zu sein. Das wird als selbstverständlich voraus gesetzt. Hinzu kommt, notwendig über Fähigkeiten des Selbstmanagements verfügen zu müssen sowie soziales Geschick zu haben, um die eigenen Leistungen vorteilhaft zu präsentieren. Damit entsteht nicht nur mehr Druck, es entsteht zusätzlicher Druck auf einem für manche Arbeitnehmer neuen Gebiet.
 

Gefährdete Berufe

Betrachten wir vor diesem Hintergrund die Studie der ING-Diba und deren Ausführungen zu den weniger gefährdeten Berufen:
"Doch nicht alle Arbeitsplätze sind gleich gefährdet. Führungskräfte, sowie Akademiker in wissenschaftlichen und kreativen Berufen unterliegen der geringsten Wahrscheinlichkeit einer Automatisierung. Berufe, die eine Spezialisierung oder Expertenwissen erfordern, sind demnach mit lediglich 11%, bzw. 12%, betroffen."
Demnach sind Berufe mit hohem Expertenwissen, Menschenführung oder Kreativität am wenigsten in Gefahr, durch die Roboterisierung eliminiert zu werden. Die stark gefährdeten Berufe im Büro, Sachbearbeitung und einfach Berufe in der Fertigung zeichnen sich durch eine Gemeinsamkeit aus: sie sind regelgebunden in dem Sinn, dass ihre Arbeit regelhaft beschrieben werden kann: Wenn der Messwert so und so ist, dann steuere so und so dagegen. Oder in der Sachbearbeitung: Wenn im Antrag dieses und jenes steht, dann entscheide so und so. Solche Aktivitäten lassen sich relativ leicht roboterisieren. Auf numerische Messwerte zu reagieren, ist kein Problem. Die zunehmende Fähigkeit von Maschinen, die menschliche Sprache zu verstehen, ermöglicht die automatisierte Bearbeitung von Kundenanfragen, Anträgen etc.
 

Gewerkschaftlicher Kampf gegen Windmühlen

Bsirskes energischer Kampf gerät also von zwei Seiten unter Druck. Zunehmende Anforderungen an Arbeitnehmer auf der einen, leichte Ersetzbarkeit von Arbeitnehmern durch Automatismen auf der anderen Seite. Die Gewerkschaft mag sich vehement dagegen stemmen, es wird ihr nichts nützen. Die Umverteilung, Punkt drei der digitalen Agenda, funktioniert nicht ohne weiteres, da die wegautomatisierten Arbeitnehmer nicht auf einem Anforderungsniveau eingesetzt werden können, das sie nicht erfüllen. Die Qualifizierung, Punkt zwei der Agenda, funktioniert ebenfalls kaum, weil völlig andere Qualifikationen benötigt werden, Qualifikationen, die die wegautomatisierten Arbeitnehmer nicht benötigt haben, die sie sich über Jahre wegtrainiert haben.
Die Mitsprachemöglichkeit der Gewerkschaften ist somit stark eingeschränkt. Sie hat zudem keinerlei Einfluss auf Start-Ups. Solche Firmen fangen klein an, können dennoch eine immense Wirkung entfalten. Sie kommen überhaupt mit wenig Personal aus, weil sich ihr Produkt oft durch Computerleistung fast beliebig skalieren lässt. Als Beispiel seien Bezahldienste im Internet angeführt. Sie bedrohen Banken, weil sie eine viel einfachere Lösung für einen Geldtransfer anbieten. Kein Suchen nach BIC und IBAN, es reicht eine Mailadresse.
Bereits heute werden Kreditverträge durch Software-Regeln entschieden. Wo früher ein Bankmitarbeiter ein Beratungsgespräch führte und Anträge ausfüllen half, arbeitet heute der Kunde selbst. Im Hintergrund rechnet ein Computer aus, ob ein Kredit gewährt werden soll oder nicht.
Solche Entwicklungen werden sich nicht aufhalten lassen. Maschinen können die Arbeit billiger und zuverlässiger. Damit fallen vor allem die Berufe weg, aus denen sich der Großteil der Gewerkschaftsmitglieder rekrutiert. Übrig bleiben werden die Qualifikationen, die für Gewerkschaften bisher weniger zur angestammten Zielgruppe gehören. Es wird nicht reichen, wenn die Mitgliederwerbung via Internet ausgebaut wird, wie Bsirske in seinem Referat ankündigt. Es geht ums Überleben. Wenn Verdi energisch gegen Roboterisierung kämpft, ist das der Kampf Don Quijotes gegen die Windmühlen, bei dem er nicht merkt, dass Rosinante bereits im Treibsand untergegangen ist. Beispielhaft der Kampf bei Amazon. Je energischer Verdi hier kämpft, desto attraktiver für Amazon, Personal durch Roboter zu ersetzen.
 

Fazit

Werden diese Ausführungen an den vier Prinzipien gespiegelt, zeigt sich:
  • Gute Bezahlung, sozial abgesichert, menschengerecht: Das wird kommen, denn durch die hohe Qualifikation und Anforderung an Mitarbeiter werden die Entgelte eine angemessene Höhe erreichen müssen. Die soziale Absicherung wird fraglich sein.
  • Bildung, Qualifikationschancen: Das wird nicht kommen, denn die Qualifikation wird zur Grundvoraussetzung, überhaupt einen Arbeitsplatz zu bekommen. Einfachere Jobs werden entfallen, für Unternehmen wird es lediglich interessant sein, hoch Qualifizierte bei aktuellen Entwicklungen mitzunehmen. Bereits heute sind Weiterbildungen der Kostenblock in Unternehmen, die ganz vorne auf der Kürzungsliste steht.
  • Mitbestimmt, partizipativ: Nicht im gewerkschaftlichen Sinn. Partizipation wird lediglich soweit gehen, wie Unternehmen es für nötig erachten, ihr qualifiziertes Personal zu halten.
  • Tariflich geschützt: Wenn die übliche Zielgruppe der Gewerkschaften kaum noch ein Lieferant relevanter Arbeitskräfte ist, wird das nicht Realität werden.

Sonntag, 13. September 2015

Kulturelle Statik der CSU

In der Augsburger Allgemeinen vom 12.09. schreibt Rudi Wais über Äußerungen von CSU-Politikern zur aktuellen Flüchtlingslage und der Entscheidung der Bundeskanzlerin zur Aufnahme von Flüchtlingen:


Seehofers Notlage

Seehofer wird zitiert, der eine "nicht mehr zu beherrschende Notlage" auf Deutschland zukommen sieht. Leider wird nicht klar, was er mit "Notlage" meint. Laut dem Innenministerium haben im August 2015 über 36.000 Personen einen Asylantrag gestellt. Dies entspricht etwa einer Verdoppelung gegenüber dem Vorjahreswert. Das klingt nicht nach einer Notlage.
Die Polizei München wartet mit aktuellen beeindruckenden Zahlen auf:

Daran lässt sich eine Notlage festmachen. Denn diese Menschen müssen versorgt werden mit Unterkunft, Medizin, Hygiene, Nahrung. Diese Menschen müssen auch in Verwaltungsabläufen behandelt werden, z.B. ihr Asylantrag bearbeitet. Daraus ergibt sich eine Situation, die in ihrem lokalen Auftreten zu einer Situation führt, die als Notlage bezeichnet werden kann. Aber "nicht beherrschbar"? Schwierig oder sehr schwierig ja, unbeherrschbar nein.

Friedrichs Kontrollverlust

Der Ex-Minister Hans-Peter Friedrich wird zitiert, wir hätten die Kontrolle verloren. Welche Kontrolle meint er? Das Asylrecht war schon immer unkontrollierbar in dem Sinn, dass nicht politisch kontrolliert werden konnte, ob jemand einen Antrag stellt oder nicht. Kontrollierbar waren einerseits die Voraussetzungen, um einen Antrag zu stellen (z.B. in dem Land, in dem erstmals europäischer Boden betreten wurde), andererseits der Verwaltungslauf, wenn der Antrag bearbeitet wurde und beispielsweise sichere Herkunftsländer eine rasche Entscheidung ermöglichten.
Eine echt kontrollierte Migration ist lediglich außerhalb des Asylrechts denkbar. Wenn Menschen nach Deutschland einwandern wollen, um hier zu leben, kann die Politik gestalten: Persönliche, wirtschaftliche und andere Voraussetzungen können definiert werden, um gezielt die Menschen einwandern zu lassen, die erwünscht sind.
Zu seinem Interview mit der Passauer Neuen Presse schreibt Andreas Scheuer auf seiner Homepage:
"Scheuer stellte auch klar, dass zwischen Bürgerkriegsflüchtlingen und Wirtschaftsflüchtlingen aus den Westbalkanstaaten ohne Bleibeperspektive unterschieden werde."
Er benutzt in beiden Fällen das Wort Flüchtling. Dabei handelt es sich im ersten Fall um Asyl, im zweiten Fall um Migration. Ich habe den Eindruck, dass insbesondere prominente Mitglieder der CSU bei aller rhetorischen Schärfe im Ausdruck oft zur Unschärfe im Vokabelverständnis neigen. Es scheint mir deshalb nicht abwegig, bei Herrn Friedrichs Kontrollverlust ebenfalls eine Vermischung unterschiedlicher Sachverhalte zu vermuten.

Söders Kulturstatik

Der Artikel der AZ zitiert Markus Söder, die "kulturelle Statik" dürfe nicht gefährdet werden. Es ist erschreckend, welches Vokabelverständnis er damit ausdrückt. Wikipedia beschreibt Statik als
"[...] ein Teilgebiet der Mechanik, das sich mit dem Gleichgewicht von Kräften an Körpern befasst. Damit ein ruhender oder sich unbeschleunigt bewegender Körper in Ruhe bleibt (bzw. sich unbeschleunigt bewegt), müssen die Summen aller Kräfte und Momente, die auf diesen Körper wirken, Null sein."
Sollte Herr Söder vor allem auf das Gleichgewicht abzielen, mag der Begriff Statik verständlich sein. Allerdings geht es bei Statik um Stabilität, um Nichtänderung eines Zustandes. Ein ruhender Körper bleibt in Ruhe, ein Gebäude bleibt stehen. Den Zusammenhang mit Kultur kann ich nicht erkennen. Ich vermute, er meint damit die Gefährdung der deutschen Kultur durch den Einfluss anderer Kulturen - das läge zumindest auf der üblichen Argumentationslinie der CSU.
Wiederum Wikipedia gibt einen Überblick, was in diesem Kontext mit Kultur gemeint ist:
"Kulturvergleichende Sozialforschung oder kurz Kulturvergleich ist eine Sammelbezeichnung für Studien der Sozial- oder Gesellschaftswissenschaften, die Aspekte menschlicher Verhaltensweisen, Darstellungsformen oder Wertvorstellungen aus verschiedenen Gesellschaften miteinander vergleichen." (Hervorhebung von mir)
Verhaltensweisen und Wertvorstellungen sind jedoch keinesfalls statisch. Kurzfristig ändern sich manche Wertvorstellungen: Was gestern schön war, ist es heute nicht mehr, wie uns die Mode mehrmals jährlich vor Augen führt. Die Bedeutung des Individuums in der Gesellschaft ist ebenfalls eine kulturelle Vorstellung, die in Europa anders gesehen wird als in Asien. Diese Wertvorstellung bewegt sich bedeutend langsamer als im Moderhythmus, aber sie bewegt sich. Wenn Herr Söder von "kultureller Statik" spricht, werde ich die Befürchtung nicht los, er denkt in 1000jährigen Zeiträumen. Er setzt damit die Linie fort, die Franz-Josef Strauß 1986 im Landtagswahlkampf formuliert hat:
"Rechts von der CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben!"
Er liegt auf damit auf einer Linie mit der Einladung an Viktor Orbán, auf der Klausurtagung der CSU-Landtagsfraktion am 23. September in Kloster Banz anwesend zu sein. Der ungarische Regierungschef ist sicherlich eine Person, mit der zu reden ist über die Sicherung der europäischen Außengrenzen. Er fällt jedoch häufig durch ein fragwürdiges Verständnis von Demokratie und Menschenrechten auf. Er findet deutlichere Worte als es sich die CSU jemals trauen würde. Ist der Grund für die Einladung zu einer Fraktionsveranstaltung: So "mutig" möchten Seehofer und Söder auch sein? Starke Rhetorik, ein statisches Element in der Kultur der CSU.

Donnerstag, 10. September 2015

Die Fortsetzung der Geschichte Le Pen

Die Augsburger Allgemeine hat am 22.8. über den Ausschluss von Jean-Marie Le Pen aus der Partei Front National berichtet. Der Ausschluss erfolgte auf Treiben seiner Tochter Marine Le Pen. Im Artikel war die Rede von einem Parteitag Anfang September und der Ankündigung von Jean-Marie, auf dem Parteitag seinen Ausschluss anfechten zu wollen.
Der genannte Parteitag hat inzwischen in Marseille stattgefunden. Leider hat Augsburger Allgemeine darüber bisher nicht berichtet. Dieses Versäumnis möchte ich an dieser Stelle  kurieren:
Es wird spannend zu beobachten sein, wie es mit dieser Bewegung und dem Front National weitergeht. Die RBBR könnte einen Teil der Klientel des Front National zu sich ziehen. Stark am rechten Rand wird die RBBR für die meisten Franzosen unwählbar sein. Die Wahlergebnisse werden sich äußerst überschaubar gestalten. Dies war Le Pen über viele Jahre gewohnt, bevor seine Tochter Marine die Partei zu größerer Wählergunst führte. Im Ergebnis wäre die RBBR zu schwach und würde kaum den Weg in Parlamente finden. Der Front National würde Wähler abgeben und die beiden Parteien würden sich selbst - wenn nicht zerfleischen - zumindest schwächen.
Für Marine Le Pen könnte sich jedoch eine Türe öffnen, ihren bereits begonnenen Pfad zur Mitte könnte sie breiter treten. Wenn die ganz Rechten aus der Partei ausscheiden, kann sie dies nutzen und Wähler ansprechen, denen das offen rassistische Getue mancher Parteimitglieder nicht geheuer war. "Nichts gegen Ausländer, sie können gerne in Frankreich wohnen und arbeiten. Aber so viele müssten es nicht sein." ist als Überlegung für manch Konservative bestimmt nicht abwegig. Der Wolf frisst Kreide.

Dienstag, 1. September 2015

Zutrittskontrollen im Zug

Die Augsburger Allgemeine berichtet am 31.8. über Pläne, die Sicherheit in Zügen zu erhöhen:
 
 
Kann mir bitte jemand erklären, welchen Sinn die Aktion machen soll? Wenn Hochgeschwindigkeitszüge wirklich wirksam besser geschützt werden, dürfte selbst der dümmste Terrorist auf die Idee kommen, einen anderen Zug zu nehmen. Den Opfern wird es egal sein, ob sie in einem Thalys erschossen wurden oder in einem Regionalexpress.
Schutz vor Terroristen: Ja. Aber bitte nicht mit solchen aktionistischen Methoden. Eine der letzten Sicherheitsaktionen hatte verheerende Nebenwirkungen: Cockpittüren sollten sich zum Schutz vor Flugzeugentführern nicht mehr von außen öffnen lassen und man ermöglichte es damit einem suizidalen Piloten, seinen Plan zu realisieren.