Mittwoch, 15. Juli 2015

Ein Volk für die Demokratie?

Volksabstimmungen sind demokratisch?

Als Griechenland das Volk selbst abstimmen ließ, ob die Auflagen der Geldgeber akzeptabel wären oder nicht, wurde dies von bestimmten Kreisen als Ausdruck eines Demokratieverständnisses höchster Güte gefeiert. Derart weitreichende Fragen direkt dem Volk vorzulegen sei demokratisch.
Engagierte Leserbriefschreiber in der Augsburger Allgemeinen stellten sich auf die selbe Seite und forderten, in Deutschland ebenfalls eine Abstimmung durchzuführen, um zu klären, ob Deutschland weiterhin Geld nach Griechenland schicken solle oder nicht. Verbunden war diese Forderung mit einer offen zur Schau getragenen Ablehnung zusätzlicher Zahlungen. Hier muss die Frage gestellt werden, ob Volksabstimmungen in solchen Themenkomplexen richtig sind.

Voraussetzung Sachkenntnis

Um an einer Entscheidung teilnehmen zu können, ist eine gewisse Sachkenntnis notwendig. Ohne die Kenntnis grundlegender Fakten und Zusammenhänge kann keine wohlüberlegte Entscheidung getroffen und in der Abstimmung kommuniziert werden.
Exemplarisch lohnt ein Blick auf den Leserbrief von Rudolf Gentner, Kaisheim, in der AZ. Er fragt sich
"Wie ein Land in der Größe vom Bundesland NRW den Rest von Europa so narren konnte?"
 
 
Glaubt man Wikipedia, ist NRW 34.100 qkm groß, Griechenland 131.957 qkm. Selbst wenn ich unterstelle, Herr Gentner hätte die Bevölkerungszahl gemeint, wird kein Schuh daraus. Griechenland hat mit etwa 10 Millionen Einwohnern etwa 7 Millionen weniger als NRW. Es mangelt Herrn Gentner schlichtweg an Sachkenntnis.
 

Voraussetzung Themenbezug

Wenn es Abstimmungen geben soll, wird es sich um konkrete Fragestellungen handeln. Die jeweiligen Positionen werden im Wahlkampf mit Argumenten unterlegt und die Abwägung der Argumente soll in der Abstimmung zu einer Entscheidung führen.
Nach der Augsburger Abstimmung zur Fusion der Stadtwerke fand sich ein Bericht in der Augsburger Allgemeinen:
 
 
Der Artikel beschreibt das Abstimmungsverhalten und stellt fest, dass eine besonders hohe Ablehnung in einem Stadtbezirk auftrat, der durch eine geplante Straßenbahnlinie besonders tangiert ist. Es scheint, die Ablehnung der Trassenführung für die Straßenbahn habe zu einer Ablehnung der Fusion geführt. Die Fusion wurde von den Stadtwerken befürwortet und die Abstimmung zur Fusion konnte von der Bevölkerung gleichzeitig als Abstimmung zur Trasse genutzt werden. Die beiden Themen haben inhaltlich nichts miteinander zu tun, lediglich das betroffene Unternehmen ist das selbe.

Undemokratische Bevölkerung

Bei solchen Beobachtungen ist mir nicht wohl zu Mute, wenn ich mir vorstelle, dass die beispielhaft genannten Personen abstimmungsberechtigt sind. Mangelnde Sachkenntnis und ein von völlig themenfremden Aspekten eingefärbtes Abstimmungsverhalten lässt mich nicht in dem Glauben, Demokratie wäre bei diesen Personen gut aufgehoben.
Natürlich ist es nicht leicht, Sachkenntnis zu erlangen. Die Lektüre einer einzigen Zeitung wird hier nicht ausreichen. Genauso wird es nicht ausreichen, sich bei den Akteuren einer Abstimmung zu erkundigen, da sie - verständlich - die eigene Position vertreten und die Gegenposition nicht. Genau das würde aber mündige Bürger erfordern. Beide oben genannten Beispiele lassen mich zweifeln, ob die Masse der Bevölkerung reif ist für direkte Demokratie.

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