Freitag, 31. Juli 2015

Andreas Scheuers Rattenfängerei

Andreas Scheuer gibt der AZ ein Interview

In der Augsburger Allgemeinen wurde ein Interview von Andreas Scheuer veröffentlicht, in dem er sich zu Einwanderung und Asyl äußert:


Seine Argumentation lädt dazu ein, genauer hinzusehen.

Argument Einwanderungsgesetz und Asylmissbrauch

Andreas Scheuer sagt:
"Ein Einwanderungsgesetz ist das falsche Thema zur falschen Zeit. Solange es massenhaften Asylmissbrauch gibt, brauchen wir nicht über ein Einwanderungsgesetz zu diskutieren."
Bei einem Einwanderungsgesetz ginge es darum, Regeln für eine erwünschte Einwanderung zu definieren. Es ginge darum, wie aktiv der Zuzug erwünschter Personen gesteuert und verwaltet werden kann. Im Unterschied zu Asyl, bei dem Menschlichkeit und Schutz im Vordergrund stehen.
Damit vermischt er zwei Themen, die außer des Zuzugs keine Gemeinsamkeit haben. Er warnt vor "rechter Rattenfängerei", bedient sich dabei den rhetorischen Methoden des rechten Lagers. Seine Absicht stellt er klar:
"Wer über ein Einwanderungsgesetz diskutiert, setzt das falsche Signal."
Es geht im nicht um eine saubere Thementrennung. Es geht ihm um eine Verhinderung des Zuzugs überhaupt.

Argument Asylmissbrauchsgesetz

Andreas Scheuer sagt:
"Wir sollten vielleicht über ein Asylmissbrauchsverhinderungsgesetz diskutieren."
Asylverfahren beginnen mit einem Antrag durch den Asylsuchenden und enden nach einer Antragsbearbeitung durch eine prüfende Behörde mit einem Bescheid. Eventuell schließt sich ein Gerichtsverfahren an. Mir ist nicht klar, wo Herr Scheuer einen Missbrauch festmachen will. Meint er, es sei bereits missbräuchlich, einen Antrag zu stellen? Oder mein er, es sei missbräuchlich, einen voraussichtlich abzulehnenden Antrag zu stellen? Herr Scheuer, das ist kein Missbrauch. Das ist Rechtsstaat. Wenn Herr Scheuer das Prüfergebnis bereits vor der Prüfung zu kennen glaubt, ignoriert er den Kern des Rechtsgrundsatzes "im Zweifel für den Angeklagten".
Zudem benutzt er eine Vokabel, die die österreichische Rechtspartei FPÖ in ihren Äußerungen zum Asyl verwendet. Damit wird er zu dem Rattenfänger, vor dem er vorgeblich warnt.

Argument Anzahl

Andreas Scheuer sagt:
"Es kann nicht sein, dass Deutschland allein so viele Flüchtlinge aufnimmt wie 23 andere Mitgliedsstaaten zusammen."
Wenn man sich die Zahlen von Eurostat anschaut, nahm Deutschland im April 2015 über 27.000 Flüchtlinge auf, die 28 EU-Staaten insgesamt fast 63.000. Das zweitplatzierte Land Ungarn nahm mit etwa 6.700 Flüchtlingen bereits deutlich weniger auf als Deutschland. Wenn Herr Scheuer von 23 Mitgliedsstaaten schwadroniert, meint er damit auch Länder wie Liechtenstein oder Island, die 5 bzw. 15 Personen aufnahmen.
In reinen Zahlen betrachtet hat Herr Scheuer Recht. Allerdings lassen sich Länder wie Liechtenstein, Portugal, Kroatien oder Zypern wohl kaum mit Deutschland vergleichen. Sie sind flächenmäßig kleiner, haben eine geringere Bevölkerung, eine geringere Wirtschaftskraft, ein geringeres Steueraufkommen etc. Solange Herr Scheuer kein Schema für eine aus seiner Sicht gerechte Verteilung der Flüchtlinge vorlegt, sind seine Aussagen nichts anderes als rechte Rattenfängerei mit Käse.

Fazit

Von klar rechts positionierten Parteien braucht niemand eine ausgewogene Darstellung zu erwarten. Wenn sich jedoch eine sogenannte Volkspartei rechter Methoden bedient, braucht sich niemand zu wundern, wenn das Stammtischniveau die politische Debatte dominiert.




Rudi Wais argumentiert zum Betreuungsgeld

Rudi Wais' Kommentar

In der Augsburger Allgemeinen kommentierte Rudi Wais das Urteil der Verfassungsgerichts zum Betreuungsgeld:
 

Zutreffend stellt er fest, dass Familien nun weniger Auswahl haben bei der Betreuung ihrer Kinder. Allerdings sind folgende zwei Argumente nicht schlüssig.

Erstes Argument: Gleiche Lebensverhältnisse

Rudi Wais führt aus, dass das Verfassungsgericht ungewollt Politik mache, weil es nun Bundesländer geben wird, die das Betreuungsgeld selbst zahlen und andere, die die Zahlung einstellen werden. Die so erzeugte Ungleichheit  sei ein Verstoß gegen das Grundgesetz.
Wenn das Argument stichhaltig wäre, müsste es gegen jegliche länderspezifische Ungleichheit vorgebracht werden: Schulrecht, verschieden hohe Kirchensteuersätze, gesetzliche Feiertage. Damit ignoriert er das föderale Prinzip. Er bleibt eine Begründung schuldig, warum ausgerechnet beim Betreuungsgeld gleiche Lebensverhältnisse unbedingt gelten sollen.

Zweites Argument: Pflegegeld

Rudi Wais argumentiert für das Betreuungsgeld mit dem Hinweis, dass eine andere pflegerische Leistung ebenfalls finanziell unterstützt würde. Er verweist auf pflegebedürftige Angehörige und das Pflegegeld.
Er übersieht dabei, dass es sich bei dem Pflegegeld um eine Versicherungsleistung handelt. Wer Beiträge bezahlt hat, hat Anspruch auf die Leistung der Versicherung, wenn der Versicherungsfall eintritt. Das Betreuungsgeld hingegen basiert nicht auf einbezahlten Prämien von Versicherungsnehmern, sondern ist eine - wenn man so will - geschenkte Sozialleistung. Rudi Wais vergleicht hier Äpfel mit Bananen.

Mittwoch, 15. Juli 2015

Ein Volk für die Demokratie?

Volksabstimmungen sind demokratisch?

Als Griechenland das Volk selbst abstimmen ließ, ob die Auflagen der Geldgeber akzeptabel wären oder nicht, wurde dies von bestimmten Kreisen als Ausdruck eines Demokratieverständnisses höchster Güte gefeiert. Derart weitreichende Fragen direkt dem Volk vorzulegen sei demokratisch.
Engagierte Leserbriefschreiber in der Augsburger Allgemeinen stellten sich auf die selbe Seite und forderten, in Deutschland ebenfalls eine Abstimmung durchzuführen, um zu klären, ob Deutschland weiterhin Geld nach Griechenland schicken solle oder nicht. Verbunden war diese Forderung mit einer offen zur Schau getragenen Ablehnung zusätzlicher Zahlungen. Hier muss die Frage gestellt werden, ob Volksabstimmungen in solchen Themenkomplexen richtig sind.

Voraussetzung Sachkenntnis

Um an einer Entscheidung teilnehmen zu können, ist eine gewisse Sachkenntnis notwendig. Ohne die Kenntnis grundlegender Fakten und Zusammenhänge kann keine wohlüberlegte Entscheidung getroffen und in der Abstimmung kommuniziert werden.
Exemplarisch lohnt ein Blick auf den Leserbrief von Rudolf Gentner, Kaisheim, in der AZ. Er fragt sich
"Wie ein Land in der Größe vom Bundesland NRW den Rest von Europa so narren konnte?"
 
 
Glaubt man Wikipedia, ist NRW 34.100 qkm groß, Griechenland 131.957 qkm. Selbst wenn ich unterstelle, Herr Gentner hätte die Bevölkerungszahl gemeint, wird kein Schuh daraus. Griechenland hat mit etwa 10 Millionen Einwohnern etwa 7 Millionen weniger als NRW. Es mangelt Herrn Gentner schlichtweg an Sachkenntnis.
 

Voraussetzung Themenbezug

Wenn es Abstimmungen geben soll, wird es sich um konkrete Fragestellungen handeln. Die jeweiligen Positionen werden im Wahlkampf mit Argumenten unterlegt und die Abwägung der Argumente soll in der Abstimmung zu einer Entscheidung führen.
Nach der Augsburger Abstimmung zur Fusion der Stadtwerke fand sich ein Bericht in der Augsburger Allgemeinen:
 
 
Der Artikel beschreibt das Abstimmungsverhalten und stellt fest, dass eine besonders hohe Ablehnung in einem Stadtbezirk auftrat, der durch eine geplante Straßenbahnlinie besonders tangiert ist. Es scheint, die Ablehnung der Trassenführung für die Straßenbahn habe zu einer Ablehnung der Fusion geführt. Die Fusion wurde von den Stadtwerken befürwortet und die Abstimmung zur Fusion konnte von der Bevölkerung gleichzeitig als Abstimmung zur Trasse genutzt werden. Die beiden Themen haben inhaltlich nichts miteinander zu tun, lediglich das betroffene Unternehmen ist das selbe.

Undemokratische Bevölkerung

Bei solchen Beobachtungen ist mir nicht wohl zu Mute, wenn ich mir vorstelle, dass die beispielhaft genannten Personen abstimmungsberechtigt sind. Mangelnde Sachkenntnis und ein von völlig themenfremden Aspekten eingefärbtes Abstimmungsverhalten lässt mich nicht in dem Glauben, Demokratie wäre bei diesen Personen gut aufgehoben.
Natürlich ist es nicht leicht, Sachkenntnis zu erlangen. Die Lektüre einer einzigen Zeitung wird hier nicht ausreichen. Genauso wird es nicht ausreichen, sich bei den Akteuren einer Abstimmung zu erkundigen, da sie - verständlich - die eigene Position vertreten und die Gegenposition nicht. Genau das würde aber mündige Bürger erfordern. Beide oben genannten Beispiele lassen mich zweifeln, ob die Masse der Bevölkerung reif ist für direkte Demokratie.

Freitag, 3. Juli 2015

Detlef Drewes Gebührenjubel


Grund zur Freude beim Wegfall der Roaming-Gebühren

Detlef Drewes kommentiert in der Augsburger Allgemeinen den Plan der EU, die Roaming-Gebühren abzuschaffen:

Seine Freude über den Wegfall der Gebühren ist berechtigt. Auch sein Hinweis, die Telekommunikationsbranche müsse sich der ergebenden Herausforderung stellen, stimmt.

Grund zur Trauer

Detlef Drewes lässt leider einen Punkt außer Acht, der von der EU in ein Paket mit den Roaming-Gebühren geschnürt wurde: Netzneutralität. Dieser Punkt im Beschluss der EU lautet:
"Under the first EU-wide open internet rules, operators will have to treat all traffic equally when providing internet access services. They may use reasonable traffic management measures. Blocking or throttling will be allowed only in a limited number of circumstances, for instance to counter a cyber-attack and prevent traffic congestion. Agreements on services requiring a specific level of quality will be allowed, but operators will have to ensure the general quality of internet access Services."
Zwar wird im ersten Satz dargestellt, jedweder Verkehr müsse gleich behandelt werden. Jedoch bereits der nächste Satz macht Einschränkungen. Telekom-Anbieter dürfen Mechanismen einsetzen, mit denen Verkehre gesteuert werden können. Und es soll in bestimmten Fällen erlaubt werden, Verkehr zu blockieren oder zu bremsen. Es werden Vereinbarungen zugelassen, die bestimmte Verkehre bevorzugen.
Damit wird die Netzneutralität zu Grabe getragen. Damit werden die Unternehmen bevorzugt, die sich die Vereinbarung zur Sonderbehandlung ihrer Verkehre leisten können. Damit werden gerade die Unternehmen benachteiligt, für die Herr Drewes eine Lanze bricht (kleine und mittelständische Betriebe).
Es hätte dem Kommentar gut getan, hätte Herr Drewes den gesamten Beschluss mit den Schattenseiten beleuchtet. Denn die Koppelung der Gebührensenkung für die Nutzer einerseits mit den Möglichkeiten für die Telekom-Anbieter, Serviceverträge zur Verkehrsbevorzugung zu schließen andererseits, ist eine rein politische. Beide Themen haben keine inhaltliche Gemeinsamkeit. Sie können getrennt voneinander diskutiert werden. Die einzige Gemeinsamkeit betrifft die Einnahmen der Betreiber. Geringeren Roaming-Einnahmen stehen zusätzliche Einnahmen durch verkehrssteuernde Dienste gegenüber. Die von Herrn Drewes genannte Herausforderung für die Anbieter und der Vorteil für die Nutzer der Mobilnetze ist nicht so groß wie behauptet.