Freitag, 29. Mai 2015

Klassifikation der Gegner der Homo-Ehe

Seit sich Irland in einer Abstimmung für die Homo-Ehe ausgesprochen hat, schlagen die Wellen hoch. Sie schwappen auch in Augsburg an Land und geben so die günstige Gelegenheit, eine Klassifikation zu versuchen. Für die Klassifikation benutze ich die Äußerungen der Gegner und schaue besonders auf die Argumentationslinie.

Begriffsklärung

Mit dem Begriff der Homo-Ehe wird rechtlicher Sachverhalt adressiert. Danach wird eine Ehe verstanden als eine dauerhafte, zumindest von der Absicht her längerdauernde Beziehung zwischen zwei Menschen. Die Einschränkung, dass diese beiden Menschen verschiedenen Geschlechts sein müssten, wird nicht mehr aufrecht erhalten. Im Unterschied zu einer bloßen Wohngemeinschaft hat diese Lebensgemeinschaft weitergehende gegenseitige Rechte und Pflichten.
Früher waren die gegenseiteigen Rechte und Pflichten auf gemischtgeschlechtliche Beziehungen beschränkt. Im Laufe der Zeit kamen auch gleichgeschlechtliche Beziehungen in den Genuss. Bisher jedoch noch nicht vollständig. Aktuell bezieht sich die Diskussion darauf, dass die Rechte gemischtgeschlechtlicher Beziehungen z.B. bei Adoptionen denen gleichgeschlechtlicher gleichgestellt werden sollen. Mir ist nicht bekannt, dass die Kritiker an gegenseitigen Pflichten Anstoß genommen hätten.
Es geht bei der Homo-Ehe nicht um einen religiösen Sachverhalt. Religionsgemeinschaften können ihren Ehebegriff vom rechtlichen abweichend und mit ihren religiösen Ansichten konform definieren.

Kategorie "Rationalisierer"

In diese Kategorie fallen Argumentationslinien, die augenscheinlich vernünftige, rationale oder gar wissenschaftliche Argumente vorbringen. Sie scheinen tolerant, neutral. Ein Beispiel findet sich in den Leserbriefen. Prof. Dr. Hubert Gindert aus Kaufering behauptet, die Zustimmung in Irland wäre nicht so hoch, wie die Abstimmungsergebnisse vermuten lassen. Damit hat er grundsätzlich Recht, denn 62% Zustimmung der abgegebenen Stimmen (Beteiligung: 65%) ist nicht 62% Zustimmung in der gesamten Bevölkerung.
Wenn Herr Gindert jedoch dazu übergeht, die nicht an der Abstimmung Beteiligten denen zuzurechnen, die in der Abstimmung mit Nein gestimmt haben, verlässt er den Boden der Wissenschaftlichkeit, den er mit der Nennung seiner Titel für sich in Anspruch nimmt. Die Haltung der Nichtabstimmer ist nicht bekannt, sie kann also nicht in ein Ja oder Nein umgedeutet werden. Genauso valide wäre die Spekulation, die Abstimmenden sind repräsentativ für die Bevölkerung und würden ebenfalls zu 62% zustimmen. Herr Professor, als BWLer sollten Sie mit Statistik besser umgehen können und nicht unwissenschaftliches Hantieren mit Zahlen über Ihre akademischen Titel adeln.
In die Gruppe der Rationalisierer passt auch Walter Roller. In seinem Leitartikel wagt er einen Ausblick in die Zukunft:
Der Beitrag beschreibt den Wandel der Ansichten zu Homosexualität im Zeitablauf und stellt in Aussicht, dass eine weitere rechtliche Gleichstellung zukünftig kommen wird - "und sei es auf Druck des Bundesverfassungsgerichts". Inhaltlich kann Herr Roller kaum widersprochen werden.
Für die "Rationalisierer" qualifiziert Herr Roller sich durch seine unterschwellige Ablehnung. Sie wird nicht explizit geäußert, sondern versteckt sich zwischen den Zeilen:
  • "Noch mauert die CDU/CSU", das Verfassungsgericht werde "die Gleichstellung der 'Homo-Ehe' erzwingen" schreibt Herr Roller im Untertitel. Mit "erzwingen" wird bereits der Same einer negativen Stimmung gesetzt.
  • Herr Roller nennt "Homo-Ehe" immer nur in Anführungsstrichen. Damit erfüllt er eine Forderung des Leserbriefschreibers Josef Schenk aus Welden, der sich als Gegner der Homo-Ehe explizit darstellt: "Von einer seriösen Tageszeitung erwarte ich, dass sie das Wort in Anführungszeichen setzt." (AZ vom 28.5.)
  • Die gemischtgeschlechtliche Ehe wird von Herrn Roller im Zusammenhang mit "traditionelle Familie", "klassische Familie", "Sorge vor einem allgemeinen Werteverfall" genannt. Damit konnotiert er sie positiv ohne begründen zu müssen, warum sie die positivere Lebensform wäre.
Rationalisierern ist schwierig zu begegnen, da sie nicht auf den ersten Blick einen argumentativen Ansatzpunkt liefern. Doch manches, was ein rationales Mäntelchen trägt, ist darunter nackt.

Kategorie "Besorgte"

Besorgte offenbaren sich als Gegner der Homo-Ehe. Sie geben sich als Menschenfreund aus und sorgen sich um andere.
Die eine Gruppe der Besorgten sorgt sich um die Kinder. Ihnen würde Schaden zugefügt, wenn sie nicht gemischtgeschlechtliche Eltern haben. Nur die Familie aus Vater, Mutter, Kind kann zu wohlgeratenen Kindern führen. Diese Besorgten lassen sich auch nicht dadurch aus dem Konzept bringen, dass die Studienlage dazu uneindeutig ist (siehe Bild unter der Kategorie "Kämpfer", Frage des Interviewers). Schwule oder lesbische Eltern stellen eine Gefahr für die Entwicklung des Kindes dar, weil nur einseitige Rollen gesehen werden könnten. Das vorwiegend weibliche Personal von Kindergärten und Grundschulen stellt aber offenbar kein Problem dar. Warum fordert hier niemand eine Frauenquote von maximal 50%, damit die Kinder auch männliche Rollenmodelle vor Augen haben?
Die andere Gruppe der Besorgten sorgt sich um die Gesellschaft insgesamt. Nur die Familie aus Vater und Mutter könne Kinder hervorbringen, die für den Fortbestand der Gesellschaft unentbehrlich seien. Scheinheilige Egoisten! Es geht Euch nur um Eure Renten. Menschenverachter! Wer so argumentiert, stellt uneheliche Kinder als minderwertig dar.

Kategorie "Kämpfer"

Kämpfer offenbaren sich als strikte Gegner der Homo-Ehe. Sie berufen sich bei ihrer Ablehung auf höhere Gesetze. Ein Beispiel liefert Alois Glück in einem Interview in der AZ vom 29.05.:
Die Ehe wird primär aus der religiösen Perspektive gesehen. Sie wird einzig als gemischtgeschlechtlich zulässig dargestellt und ihr ein besonderer Wert zugeschrieben. Beides wird aus der Bibel abgeleitet. Der Untergang des Abendlandes in Gänze wird an die Wand gemalt. Herr Glück warnt vor einem Referendum in Deutschland, da dies einen Kulturkampf auslösen würde.
Wenn ich mich auf den Pfad der Statistik begebe, wird es interessant. Das Statistik-Portal Statista bietet einen Überblick über die Religionszugehörigkeit in Deutschland im Jahr 2013. Nach dieser Statistik sind 53,5 Mio Personen Mitglied einer der genannten Religionsgemeinschaft. Bei einer Gesamtbevölkerung von etwa 81 Mio. Personen entspricht dies einem Anteil von etwa 66%. Die Katholiken stellen mit etwa 24 Mio. Mitgliedern die stärkste Gruppe. Gemessen an der Gesamtbevölkerung sind dies aber weniger als 30%. Woher nimmt diese nicht einmal ein Drittel der Bevölkerung ausmachende Gruppe das Recht, für alle die Lebensbedingungen zu diktieren?
Erweitern lässt sich die Statistik noch mit der Frage nach dem Glauben an Gott. Laut Statista glauben 58% der Bevölkerung an Gott. Ob das der christliche ist, ist nicht klar. Wenn 58% an Gott glauben, aber 66% in einer Religionsgemeinschaft sind, vermute ich einige "Karteileichen" bei den Mitgliedern von Religionsgemeinschaften. Und wenn es in den Reihen der Katholiken auch "Karteileichen" gibt, stellen sie weit weniger als 30% der Bevölkerung.
Die Kämpfer führen auch die abendländisch-christliche Tradition ins Feld. Sie behaupten, diese Tradition fusse auf christlichen Werten. Das ist nur richtig, was die christliche Tradition angeht. Viel größeren Einfluss hatten die griechischen Anfänge des Staatswesens sowie die Gedanken der Aufklärung (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit). Der Freiheit des Einen steht die Toleranz bzw. Akzeptanz des Anderen gegenüber. Homosexuelle dürfen so leben, wie sie es möchten. Insbesondere wenn sie nicht in die Freiheit anderer eingreifen, gibt es kein abendländisches Argument, ihnen das zu verbieten. Diese steht ihnen so zu, wie allen anderen auch (Gleichheit). Brüderlich stehe ich zu meinem Nächsten, auch wenn - vielmehr: weil - er anders ist.

Die "Mediziner"

Für Mediziner ist Homosexualität eine Krankheit bishin zur Perversion. Gesund sind nur solche, die verschiedengeschlechtliche Sexualität leben. Pervers Kranken darf man Hilfe, Heilung angedeien lassen, aber die Ehe muss ihnen verwehrt bleiben. Mediziner sehen die Ehe meist ebenfalls als eher religiöses Konstrikt, weniger als Rechtsgebilde.
In einem Bericht der AZ vom 29.05. über Pädophilie findet sich ein Artikel über eine zweifelsohne zweifelhafte sexuelle Orientierung:

Der Direktor des Instituts für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin der Charité Berlin wird zitiert. Nach ihm ist Pädophilie ein besonderer Zustand im Gehirn. Der Homo-Ehen-Gegner aus der Kategorie "Mediziner" würde dem sicher nicht widersprechen. Der Direktor führt jedoch aus, dass der besondere Zustand erst dann zur Krankheit würde, wenn Menschen (in Medizinersprech: "Kranke") oder Andere (Opfer) darunter leiden würden.
Von solchen Feinheiten lässt sich der "Mediziner" jedoch nicht ablenken. Auch wenn er Homosexualität nur dem Wort nach kennt, bleibt es eine Krankheit. Dazu ist es nicht notwendig, dass irgend jemand leidet. Im Gegenteil: Das Leiden Homosexueller an der mangelnden Akzeptanz der Umwelt wird als Leiden an der Homosexualität umgedeutet.

Konklusio

Keines der von den Gegnern vorgebrachten Argumente kann wirklich überzeugen. Sie sollten also schweigen und froh sein, dass an ihrer Lebensform keine offene Diskriminierung stattfindet.

Sonntag, 17. Mai 2015

Schiffe versenken im Mittelmeer

Vorschlag der EU-Außenbeauftragten

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini schlägt vor, die EU solle alle Maßnahmen ergreifen, um den Flüchtlichsstrom über das Mittelmeer einzudämmen. Ziel soll sein, das Geschäftsmodell der Schleuser zu zerschlagen. Dafür sollen die Schleuserboote unbrauchbar gemacht werden. Es ist vorgesehen, dafür sogar Truppen an Land einzusetzen, um die Schiffe vor der Schmuggelfahrt zu zerstören.

Was sie schon immer tun wollten, aber nicht vorzuschlagen wagten

Wenn schon von robusten Maßnahmen die Rede ist, dann sollten sie auch wirkungsvoll sein. Der Vorschlag von Frau Mogherini ist mutlos. Deshalb, EU: Trauen Sie sich, Ihre unausgesprochenen Ideen zu formulieren! Hier meine kleine Liste mit Vorschlägen. Alle marktkonform und deshalb wirkungsvoll.

Hoffnung auf ein besseres Leben

Viele Flüchtlinge nehmen die unmenschlichen Strapazen auf sich, weil sie auf eine besseres Leben hoffen. Nehmen Sie denen diese Hoffnung! Versenken Sie die Schleuserschiffe! Vor allem die auf Schmuggelfahrt, nicht vor der Schmuggelfahrt. Jedem Flüchtling muss klar sein, dass seine Hoffnung unberechtigt ist. Er wird nicht an Land gehen. Sondern baden.
Falls ein Flüchtlingsboot einen Notruf absetzt, darf kein Handelsschiff schneller vor Ort sein, um die Flüchtlinge zu retten. Erst versenken, dann doch nicht retten. Damit Handelsschiffe die notwendige Disziplin aufbringen, dürfen sie nur noch in begleiteten Konvois auf sicheren Routen fahren.

Senkt die Einnahmen der Menschenhändler

Der Menschenhandel ist lukrativ, weil die Erlöse hoch und die Kosten niedrig sind. Das muss sich ändern. Die Erlöse lassen sich bereits durch die erste Maßnahme reduzieren, weil sie weniger Kundschaft zahlungswillig macht. Das wird aber nicht ausreichen, weil die Information der Hoffnungslosigkeit nicht bis zu allen durchdringt.
Die EU sollte als verdeckter Menschenhändler auftreten und der willigen Kundschaft das Geld abknöpfen. Allerdings keine Gegenleistung gewähren. Dies würde einerseits die EU-Einnahmen erhöhen, andererseits die Schleuserbranche in Misskredit bringen, so dass es denen nicht mehr so leicht fällt, Neukunden zu akquirieren. Kein Flüchtlingsinteressent soll mehr wissen, ob er an einen echten Schleuser (mit Gegenleistung) oder an einen EU-Schleuser (ohne Gegenleistung) gerät. Wenn der BND demnächst aufhören muss, für die NSA unerlaubte Spionage zu betreiben, sollten zukünftig einige Stelleninhaber in der versteckten Branche auf der Suche nach neuen Herausforderungen sein. Für diese bietet sich im Flüchtlingsgeschäft ein neues Wirkungsfeld.

Erhöht die Kosten der Menschenhändler

Die hohen Gewinnmargen im Menschenschmuggel lassen sich reduzieren, wenn die Kosten für die Menschenhändler erhöht werden.
Werden die Schmuggelschiffe versenkt, können sich auch die Schleuser nicht an Land retten. Bisher tauchen sie in der Masse der Flüchtlinge unter und stellen sich selbst als Opfer dar. Wenn Schleuser wissen, dass sie die Fahrt nicht erfolgreich beenden können, wird sich niemand mehr finden, der als Kapitän, Steuermann oder als sonstige Besatzung auf einem Schleuserschiff fahren will. Und wenn, dann nur zu immensen Honoraren, die die Schmuggelfahrt unwirtschaftlich werden lassen.
Die EU sollte selbst als Käufer von Seelenverkäufern auftreten. Wenn selbst schrottreife Boote zu hohen Preisen von der EU gekauft werden, wird kein Schiffshändler zu günstigen Preisen an Menschenhändler verkaufen wollen. Eine Schmuggelfahrt mit einem teuren Boot wird sich nicht mehr rechnen. Die Schrottboote könnten dann in EU-Werften auf-, um- oder abgebaut werden, weswegen weniger Subventionen für die Werten nötig wären. Das Ganze finanziert sich so von selbst.

Freitag, 8. Mai 2015

Lernen von Oldschool Society, BND und ACLU

Wer sind OSS, BND und ACLU?

Bevor ich mich dem eigentlichen Thema dieses Beitrages widmen kann, muss die Bedeutung der Begriffe klar sein. In alphabetischer Reihenfolge:

ACLU

Die Abkürzung steht für American Civil Liberties Union. Sie beschreibt sich selbst auf ihrer About-Site als:
"For nearly 100 years, the ACLU has been our nation’s guardian of liberty, working in courts, legislatures, and communities to defend and preserve the individual rights and liberties that the Constitution and the laws of the United States guarantee everyone in this Country."
Es handelt sich um eine Gruppe, die sich für die Rechte und Freiheiten einsetzt, die den amerikanischen Bürgern laut Verfassung zustehen.

BND

Die Abkürzung steht für Bundesnachrichtendienst. Er beschreibt seine Aufgabenfelder als:
"Der Bundesnachrichtendienst ist der einzige Auslandsnachrichtendienst der Bundesrepublik Deutschland. Er bündelt die wirtschaftliche, politische und militärische Auslandsaufklärung. Der Bundesnachrichtendienst arbeitet im Auftrag der Bundesregierung."
Er sammelt Informationen, um wirtschaftliche, politische oder militärische Ziele zu erreichen. Er arbeitet im Auftrag der Regierung und wird von ihr - namentlich dem Bundeskanzleramt - kontrolliert.

OSS

Die Abkürzung steht für Oldschool Society. Hierbei handelt es sich um eine Organisation, gegen die ermittelt wurde und weiterhin wird wegen des Verdachts rechtsradikaler Umtriebe. Anfang Mai 2015 wurden einige Mitglieder dieser Organisation verhaftet, weil ein Anschlag unmittelbar bevorgestanden habe. Die einende Weltsicht der Gruppe ist eine drohende Islamisierung des Abendlandes und dazu passend waren Imame und Hassprediger Primärziele.

Was ist vorgefallen?

Spannend ist nicht, was die Organisationen tun, sondern was in den letzten Tagen im Zusammenhang mit diesen Organisationen stattgefunden hat.

Vorkommnis bei ACLU

ACLU erwirkte vor Gericht ein Urteil, das von der Organisation selbst als "landmark victory for privacy" bezeichnet wird. Die massenhafte Speicherung von Telefondaten - Anruferkennungen, Uhrzeiten, Gesprächsdauern - und tägliche Übermittlung an die NSA sind nach dem Urteil rechtswidrig. Sie sind auch nicht durch den Abschnitt 215 des Patriot Acts gedeckt. Insbesondere wird bemängelt, es sei unverhältnismäßig, eine Unmenge an Daten zu sammeln, die im Prinzip irrelevant sind und nur in einer ungewissen Zukunft vielleicht nach relevanten Details durchsucht werden sollen. Dazu aus der Entscheidung des Gerichts:
Das Gericht entzieht auch der Behauptung den Boden, solange keine Inhalte, sondern nur Metadaten abgegriffen würden, sei die Privatsphäre nicht in Gefahr.
Das vollständige Urteil ist als PDF-Dokument zugreifbar.

Vorkommnis bei BND

Der BND hat von der NSA Anfragen erhalten, in Verbindungsdaten nach bestimmten Begriffen zu suchen und entsprechende Ergebnisse an die NSA zurück zu liefern. Es besteht der Verdacht, dass es mit den übermittelten Suchbegriffen nicht nur um Terrorbekämpfung, sondern auch um Wirtschaftsspionage gegangen sein könnte. Zudem sollen mit den Suchbegriffen auch deutsche Unternehmen oder Personen betroffen sein. Dies wäre nach §1 BNDG unzulässig, weil im Absatz (2) explizit die "Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland" genannt wird.
Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss untersucht derzeit, ob das Bundeskanzleramt seine Aufsichtspflicht verletzt hat und in Kenntnis der Vorkommnisse hätte anders handeln müssen.

Vorkommnis bei OSS

Die Aktivitäten der OSS standen unter der Beobachtung der Behörden. Die Gruppenmitglieder waren mit ihrem Anliegen öffentlich unterwegs: Sie waren Mitglied in der NPD, es gab für die OSS eine Seite auf Facebook. Trotz der Öffentlichkeit dieser Plattformen haben sich die OSS-Mitglieder deutlich rechts positioniert und auch zu Gewalt aufgerufen. Sich konkretisierende Anschläge sollen auch deshalb abgezeichnet haben, weil die Gruppe Grundmittel zur Sprengstoffherstellung gekauft hatte. Diese Käufe sind meldepflichtig und wurden so den Behörden bekannt.

Was ist an den Vorkommnissen interessant?

Jedes Vorkommnis wirf ein bezeichnendes Licht auf einen Sachverhalt:
  1. Die USA sind normalerweise nicht sehr zimperlich, wenn es um Privatsphäre geht. Der Kampf gegen den Terror und die vermeintliche Sicherheitsgarantie durch umfassendes Wissen rechtfertigte bisher alle möglichen Eingriffe.
    Das oben genannte Urteil zeigt jedoch, dass selbst in den USA nicht jedwede Datensammlung erlaubt ist, selbst wenn sie angeblich dem Terrorkampf dient. Was gesammelt wird, muss relevant sein und darf nicht nur eine Irgendwann-werden-wir-es-vielleicht-auswerten-Relevanz entwickeln.
  2. Der BND hat einen klaren gesetzlichen Rahmen. Der Auftraggeber ist direkt die Bundesregierung. Die Kontrolle liegt bei der Bundesregierung. Dennoch steht der Verdacht im Raum, der BND habe an gewissen Stellen seinen Rahmen verlassen und die Kontrolle habe versagt.
  3. Die OSS konnte bekämpft werden, weil sich anhand von Verdachtsindikatoren wie Verlautbarungen, Parteimitgliedschaften und Kaufverhalten konkrete Verdachtsmomente auf konkrete Personen und geplante Handlungen ergeben haben.

Was nun lernen von den dreien?

Zusammen ergeben diese Vorkommnisse ein interessantes Bild:
  1. Ein gesetzlicher Rahmen für eine deutsche Behörde ist keine Garantie dafür, dass die Behörde vollständig innerhalb des Rahmens handelt.
  2. Ein Kontrollmechanismus für eine deutsche Behörde ist keine Garantie dafür, dass rechtzeitig aufgedeckt wird, wenn die Behörde ihren gesetzlichen Rahmen verlässt und entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
  3. Terroraktivitäten können durch mehr oder weniger öffentlich zugängliche Informationen, behördliche Aufmerksamkeit und Informationsaustausch aufgedeckt werden.
  4. Massenhafte Datensammlung im Sinne "viel hilft viel" verletzt Bürgerrechte so, dass die Verletzung nicht mit einer nur abstrakten Terrorgefahr übergangen werden kann.
  5. Trotz (inzwischen gerichtlich als unzulässig erkannter) Datensammlung kann ein Anschlag nicht 100%ig ausgeschlossen werden. Ich erinnere an den Anschlag auf den Boston Marathon.
Aus der Gesamtschau ziehe ich den Schluss: Keine Vorratsdatenspeicherung in Deutschland! Weder kann ein Datenmissbrauch trotz Aufsicht und Genehmigungen ausgeschlossen noch die Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme belegt werden.

Sonntag, 3. Mai 2015

Xaver Hörmanns jun. naturwidrige Hammerschläge

Xaver Hörmann jun. schreibt einen Leserbrief in der Augsburger Allgemeinen, in dem er sich zu Berichten über das Wachstum der Bevölkerung in Deutschland Gedanken macht:
 

Demografische Entwicklung

Herr Hörmann bemerkt,
"...immer drängender werdenden Auswirkungen der sogenannten demografischen Entwicklung der BRD..."
werde wöchentlich mediale Aufmerksamkeit zuteil. Das stimmt schon, solche Themen kommen immer wieder hoch. Interessant ist jedoch seine Beschränkung auf die BRD. Einerseits war die BRD als Gegenstück zur DDR konzipiert und verweist somit auf Westdeutschland. Andererseits ist die Bezeichnung lt. Wikipedia für die Epoche von 1949 bis 1990 angewendet worden. Soweit ich es einschätzen kann, bezieht sich die aktuelle Diskussion in den Medien auf Deutschland insgesamt, also auf BRD und DDR, wenn man so will.
Demografie als Wissenschaft befasst sich mit der Bevölkerung, ihren Strukturen und Entwicklungen. Wenn sich im Zeitablauf die Bevölkerung ändert, sei es strukturell oder zahlenmäßig, kann das als demografische Entwicklung bezeichnet werden. Wenn Herr Hörmann nur eine sogenannte Entwicklung ausmacht, unterstellt er damit vielleicht, dass es derzeit keine Entwicklung, keine Veränderung gäbe?
 

Hammerschläge naturwidrigen Verhaltens

Herr Hörmann vermisst wesentliche Inhalte in den Berichten, wenn er schreibt:
"Aber kein Wort über die skandalöse politische, juristische und gesellschaftliche Akzeptanz naturwidrigen Verhaltens in den Bereichen Ehe, Familie und Sexualität?"
Was er damit vermutlich meint, führt er sogleich im Folgesatz aus:
"... dass es jene drei Hammerschläge - Verhütung, Sterilisation und Abtreibung - sind, die die Grundfesten eines jeglichen geordneten Bevölkerungswachstums zerschlagen."
Aus diesen beiden Sätzen ziehe ich diese Schlüsse, was Herr Hörmann will, wenn er Verhütung, Sterilisation und Abtreibung als naturwidriges Verhalten in den Bereichen Ehe, Familie und Sexualität bezeichnet:
  1. Geduldete Sexualität findet ausschließlich im ehelichen und familiären Rahmen statt.
  2. Geduldete Sexualität darf nicht ex ante (durch Verhütung oder Sterilisation) oder ex post (durch Abtreibung) in seiner expansiven Wirkung auf die Bevölkerung beschränkt werden.
  3. Unabhängig von der Situation der Familie hat jegliche Sexualität immer das Potential, ein Kind zu zeugen. Ob es tatsächlich geschieht, ist von der Natur oder vom Zufall zu bestimmen. Jedenfalls nicht von den beteiligten Personen.
  4. Familienplanung erfolgt auf natürlichem Wege: Enthaltsamkeit oder natürliche Unfruchtbarkeit.
  5. Bevölkerungswachstum ist positiv.
  6. Bevölkerungswachstum hat geordnet zu erfolgen.
Da möchte ich sofort fragen:
  1. Außereheliche Sexualität soll unerlaubt sein?
  2. Wenn sie dennoch stattfindet, sind dann Verhütung und Abtreibung erlaubt?
  3. Führt eine solch enge Duldung von Sexualität nicht genau zu den Wirkungen, die Der Spiegel in Berichten zu Priestergeliebten beispielhaft zeigt?
  4. Verhütung soll keine juristische Akzeptanz mehr erfahren, sie soll unter Strafe gestellt werden?
  5. Verhütung und Abtreibung sind gesellschaftlich gleichermaßen akzeptiert?
Ein Blick in das Statistische Jahrbuch 2014 zeigt die Familiensituation in Deutschland:
 
Die Grafik zeigt, Herr Hörmann möchte über 70% der Bevölkerung von geduldeter Sexualität ausschließen. Das wird für die Sittenwächter eine breites Betätigungsfeld.
 
Ich möchte Herrn Hörmann spontan zurufen: Führe uns aus der BRD in den Lebensraum im Osten, damit unsere Bevölkerung geordnet wachsen kann!