Montag, 6. April 2015

Jürgen Marks stellt die falschen Fragen

Jürgen Marks kommentiert in der Augsburger Allgemeinen vom 4.4.2015 die neuesten Erkenntnisse zum Absturz einer Germanwings-Maschine in den Alpen:
Die Hinweise lassen inzwischen wenig Zweifel, dass der Absturz vom Piloten absichtlich herbeigeführt wurde. Die Zeitung schreibt, der Autopilot wäre auf einen Sinkflug eingestellt und beschleunigt worden, bevor sie an einem Bergmassiv zerschellte.
Jürgen Marks fragt nun:
  1. Warum ließ die Lufthansa den Piloten fliegen, wenn sie von seiner Depression wusste?
    Warum nicht, halte ich dagegen. Soweit bekannt ist, war die letzte Untersuchung des Piloten positiv, es gab keinen Anhaltspunkt für eine Erkrankung, die die Flugtauglichkeit beeinträchtigt hätte. Wie lange möchte Herr Marks eine laut Diagnose geheilte oder zumindest überwundene Krankheit als Argument verwenden, um die Berufstätigkeit von Menschen einzuschränken?
  2. Wie ist die ärztliche Schweigepflicht zu bewerten, die ja Ausnahmen zulässt, "wenn es um die Abwendung schwerer Verbrechen geht"?
    Wie kommt Herr Marks darauf, bei dem Selbstmord handelt es sich um ein schweres Verbrechen? Gesetzt den Fall, der Pilot war depressiv und hegte Selbstmordpläne. Ein solches "schweres Verbrechen" würde nur dann vorliegen, wenn der Kranke nicht nur den Selbstmord generell plant, sondern sich gegenüber den Ärzten konkret äußert. Er hätte auch die Art der Tat ankündigen müssen. Woher weiß Herr Marks das? Allgemeine Auslassungen zum Todeswunsch eines Depressiven rechtfertigen sicherlich nicht, dass der Arbeitgeber en Detail über die Diagnose informiert wird.
Ich behaupte, aus dem Kommentar von Jürgen Marks spricht genau jener Geist, der den Absturz erst möglich gemacht hat. Bei den Anschlägen vom 11.9.2001 hatten Terroristen Flugzeuge entführt, in dem sie sich Zutritt zum Cockpit verschafft und die Kontrolle über die Maschinen übernommen hatten. Als Reaktion darauf wurden die Cockpittüren gesichert. Es sollte nicht mehr möglich sein, von außen in das Cockpit einzudringen. Der aktuelle Absturz im Jahr 2015 zeigt, dass die Technologie funktioniert. Es war nicht möglich, den Selbstmörder von seiner Tat abzuhalten. In diese fatale Kerbe schlägt Herr Marks unverdrossen weiter: Immer mehr vermeintliche Sicherheit durch einzelne Maßnahmen.
Aufheben der ärztlichen Schweigepflicht, wenn ein Pilot depressiv ist. Das kommt einem Berufsverbot gleich. Was will Herr Marks tun, wenn der Pilot sich nicht an einen Arzt wendet? Pflichttermine? Was will er tun, um spontane Selbstmordabsichten zu erwischen? Vor jedem Abflug eine Sitzung beim Arzt? Was will er tun, wenn der Patient zwar seine Depression offenbart, nicht aber seine Selbstmordabsicht? Ein peinliches Verhör wie zu Zeiten der Hexenverbrennungen und der Inquisition?
Nicht von Herr Marks genannt, aber in die gleiche Richtung zielt der Plan, dass sich zukünftig immer mindestens zwei Personen im Cockpit aufhalten müssen. Ich hoffe bloß, es handelt sich nicht um Olli Rellonen, die Hauptfigur aus Arto Paasilinnas Roman "Der wunderbare Massenselbstmord". Diese Hauptfigur wollte sich in einer Scheune erhängen und traf dort auf eine andere Person, die just den selben Gedanken hatte.
Es wird Jürgen Marks nicht gelingen, ein Szenario zu entwerfen, in dem alle Risiken ausgeschlossen werden können. Und dennoch glaubt er, unter Hinweis auf Risiken nach Belieben jedwede Maßnahme argumentieren zu können. Er irrt.

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