Donnerstag, 16. April 2015

Diffamierende Argumente zum Betreuungsgeld

Am 13. April berichtete die Augsburger Allgemeine über eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Strittiger Punkt ist nicht eine politische oder gesellschaftliche Bewertung, sondern eine Formalie: Darf der Bund ein Konstrukt wie das Betreuungsgeld überhaupt beschließen, da er damit in die Rechte der Bundesländer eingreift?
Josef Grandy nimmt die Berichterstattung zum Anlass für einen Leserbrief:
Er zitiert den Bericht der Zeitung, in dem von bildungsfernen Familien und solchen mit Migrationshintergrund die Rede ist. Es wird behauptet, vor allem solche Familien würden das Betreuungsgeld bekommen. Herr Grandy findet das "eine pauschale Diffamierung von Ausländerfamilien" und zieht die Bilanz, dass man sich nicht wundern müsse, wenn "bei dieser anmaßenden Haltung die Integration von Ausländern nur teilweise gelingt". Er schlägt statt dessen vor, "die Sprachförderung für diese Kinder gemeinsam mit den Eltern durchzuführen und sie nicht allein in eine Kita zu stecken".
An dieser Argumentationslinie finde ich zwei Punkte sehr interessant:
 

Bezieher von Betreuungsgeld

Es wird behauptet, das Betreuungsgeld fließe an die bildungsferne und Ausländerfamilien. Herr Grandy zieht diese Behauptung nicht in Zweifel, sondern findet sie nur diffamierend. Das Statistische Bundesamt bietet Statistiken auch zum Betreuungsgeld. Bei der Darstellung lassen sich die Empfänger nach Nationalität gruppieren:
Überschlägig sind im Jahr 2014 in allen Quartalen die Empfänger des Betreuungsgeldes zu 80% Deutsche, nur zu 20% Ausländer. Es sind also nicht überwiegend Ausländer, die das Betreuungsgeld beziehen.
Diesem Anteil ließe sich der Ausländeranteil in der Bevölkerung gegenüberstellen:
Hier zeigt sich, dass der Ausländeranteil in der Altersgruppe "typischer" Eltern deutlich geringer ist als der Anteil der Bezieher von Betreuungsgeld. Nur ist das leider eine Milchmädchenrechnung: Wir wissen hieraus nichts über Elternschaft, Familien mit oder ohne Kindern, Kinderanzahl etc. Jedenfalls lese ich nicht hieraus, dass vor allem Ausländer diese Staatsleistung beanspruchen. Und schon gar nicht eine bei solchen Aussagen mitschwingende Konnotation, dieser Anspruch wäre irgendwie anrüchig.
Leider findet sich in den Statistiken kein Bezug zu Bildungsabschlüssen der Bezieher. Die Behauptung, bildungsferne Familien wären Bezieher, lässt sich mit den öffentlich zugänglichen Daten des Statistischen Bundesamtes leider nicht verifizieren oder falsifizieren.
 

Pauschale Diffamierung von Ausländerfamilien

Herr Grandy erregt sich jedoch nicht wegen der Richtigkeit oder Falschheit der Behauptung. Er erregt sich an der pauschalen Diffamierung, hauptsächlich Ausländer würden das Betreuungsgeld in Anspruch nehmen. Meine Ausführungen weiter oben lassen zumindest am sachlichen Gehalt der Pauschalierung zweifeln. So weit, so zutreffend der Vorwurf von Herrn Grandy.
Im letzten Absatz seines Leserbriefes schreibt Herr Grandy, "diese Kinder" sollten gemeinsam mit ihren Eltern in Kitas Sprachförderung erhalten. Bei soviel pauschaler Diffamierung über notwendige Sprachförderung sollte der Kreis der zu Fördernden vergrößert werden. Nicht wahr, Herr Grandy? 

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