Samstag, 4. April 2020

Rechtsstaatspartei? Die Selbstentlarvung der AfD

Die AfD stellt sich selbst in vielerlei Hinsicht als besonders dar. Sie sei patriotisch. Sie sei konservativ. Sie sei Rechtsstaatspartei, wie Jörg Meuthen in einem Tweet darstellte:


Es gibt viele weitere Selbstdarstellungen, die die AfD als die Vertreterin der Rechtsstaatlichkeit behaupten. Ein Artikel der AfD Kompakt, dem Mitgliedermagazin der AfD, titelt am 16.01.2019:
„Wir sind eine Rechtsstaatspartei und stehen uneingeschränkt hinter der FDGO.“
Die Selbstdarstellung geht so weit, dass die AfD sogar eine eigene Seite eingerichtet hat mit dem Titel "Wir sind Grundgesetz". Allerdings widmet sie sich dort nicht dem Grundgesetz als solchem, sondern dem angeblichen Missbrauch, entstanden durch den Bericht des Verfassungsschutzes zur AfD und deren Beobachtung.
Wer sich so der Rechtsstaatlichkeit verschreibt, muss sich auch in ihr messen lassen. Das erfordert natürlich ein Verständnis für die Vorgänge im rechtsstaatlichen Kontext. Das jüngste Beispiel ist das Urteil des EuGH, in dem Polen, Tschechien und Ungarn ein Bruch des EU-Rechts bescheinigt wurde, weil sie nicht die getroffenen EU-Beschlüsse zu Verteilung von Flüchtlingen umgesetzt haben, wie beispielsweise die FAZ berichtet hat. Die Begründung einer Gefahr sei nicht ausreichend erfolgt, wie der EuGH schreibt:
"Er hat jedoch klargestellt, dass sich diese Behörden, um sich auf die vorgenannten Gründe berufen zu können, am Schluss einer Einzelfallprüfung auf übereinstimmende, objektive und eindeutige Indizien stützen müssen, die den Verdacht stützen, dass der betreffende Antragsteller eine solche gegenwärtige oder potenzielle Gefahr darstellt."
Die Rechtmäßigkeit der Weigerung der drei Staaten, den Beschluss umzusetzen, ist also an der nicht ausreichenden Begründung des vorgebrachten Arguments gescheitert.

Wie reagiert die Rechtsstaatspartei?

Eine Reaktion von Beatrix von Storch, der stellvertretenden Bundessprecherin der AfD, ist auf der Website der AfD veröffentlicht. Darin heißt es:
„Tschechien, Ungarn und Polen haben sich geweigert, den Beschluss der EU umzusetzen und für die gescheiterte EU-Asylpolitik in ihren Ländern die Folgen zu tragen.
Das EuGH-Urteil greift in unerträglicher Weise in die Souveränitätsrechte dieser Länder ein und macht die AfD-Forderung nach Reform der EU an Haupt und Gliedern noch dringlicher.
Solch unangemessene Eingriffe in die nationale Souveränität der EU-Mitgliedsstaaten lehnen wir vehement ab. Das Asylrecht gehört in die Hand der Nationalstaaten und nicht nach Brüssel.“
Mitglieder der EU, die die entsprechenden Verträge unterzeichnet haben, um überhaupt Mitglied sein zu können, würden nun ungerecht behandelt, weil ihre "Souveränitätsrechte" beschädigt seien. Es handele sich um "unangemessene Eingriffe in die nationale Souveränität". Es offenbart sich an der Parteispitze ein grundlegendes Unverständnis für die Bindungswirkung von Verträgen. "Pacta sunt servanda" (lat.; dt. Verträge sind einzuhalten) ist Stoff für jede Grundlagenveranstaltung, die rechtlichen Inhalt behandelt, ob an der Schule oder der Universität.
Beatrix von Storch wird auch von der Fraktion der AfD im Bundestag zitiert:


Hierbei wird überhaupt verzichtet, auf das Urteil inhaltlich einzugehen, es wird die bekannte Linie gefahren, Asylrecht sei in nationalen Händen besser aufgehoben als auf Ebene der EU.
Malte Kaufmann greift zu gröberen Worten, als er in seinem Tweet das Urteil als "Irrsinns-Urteil" bezeichnet:


Gottfried Curio, Sprecher der Fraktion im Bundestag, erklärt über die Website der AfD im Bundestag:
"Die Weigerung Ungarns, Polens und Tschechiens, Migranten per Umverteilungsschlüssel aus Griechenland und Italien zu übernehmen, war gedeckt von den klar umrissenen Dublin-Regeln, wonach das Erstzutrittsland in die EU bei einem Asylverfahren zuständig ist. Die Ablehnung der Umverteilung geschah zudem im Interesse und mit dem Willen der jeweiligen Bevölkerung."
Und weiter führt er aus, die "rechtliche Bevormundung von Staaten durch eine EU" sei abzulehnen. Ferner nehme die Demokratie "Schaden, wenn nicht mehr der Willen des Volkes, sondern der ideologische Standpunkt von Institutionen zum Maßstab des Handelns genommen" werde.

Conclusio

Nun sei es der AfD und allen anderen Personen oder Institutionen unbenommen, Vorkommnisse wie solche Urteile des EuGH politisch zu bewerten. Allerdings handelt es sich bei den Äußerungen der AfD um Bewertungen, die gar nicht auf den Gehalt des Urteils eingehen, sondern lediglich die daraus entstehenden Folgen und Eindrücke diskutieren. Die AfD offenbart damit unwillentlich und vielleicht aus unwissentlich, wie wenig sie von Rechtsstaatlichkeit versteht. Sie ist bestenfalls im Kindergarten der Rechtsstaatlichkeit angekommen.

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