Montag, 30. März 2020

Corona als Vorwand?

Stefan Lange hat in der Augsburger Allgemeinen vom 30.03.2020 einen Leitartikel veröffentlicht, in dem er sich mit der absoluten Dominanz des Themas Corona über alle anderen Themen beschäftigt:


Mit
"Vieles steht gerade still, weil das Coronavirus es so will."
findet Stefan Lange einen guten Einstieg in das Thema seines Leitartikels und er führt weiter aus:
"Theater- oder Konzertbesuche gehören wie einige andere Freizeitvergnügungen zu den Dingen, auf die sich in der Corona-Krise verzichten lässt. Regierungsarbeit gehört sicherlich nicht dazu."
Er gibt zu bedenken:
"Je länger das dauert, desto gefährlicher wird es für unsere Demokratie."
Nicht nur die Demokratie wird leiden. Die Wirtschaft stellt die Frage, wie lange der Zustand aushaltbar sein wird, bereits offen. Die Bürger machen großteils mit, noch schweißt der gemeinsame Feind, das Virus, zusammen. Auch hier: Wie lange noch ist es erbauend, nicht selbst einkaufen zu können und sich von Nachbarn helfen zu lassen? Wie lange noch ist es hilfreich, Bücher zu lesen, für die man bisher nie Zeit fand - eine Frage der Prioritäten? Letzteres erinnert an das Mantra der Pendler, die sich die Stunden in vollen Zügen schönreden, die sie nicht mit der Familie verbringen.
Klar ist: Das Virus ist ansteckend, Infizierte können eher sterben als sie es ohne Infektion würden. Dennoch ist die Frage von Stefan Lange berechtigt:
"Auch der Bundestag droht wegen Corona ins Hintertreffen zu geraten. Aus Sicherheitsgründen gab es in der letzten Woche aber nur eine einzige Plenarsitzung, bei der neben dem Bundeswehreinsatz im Irak ausschließlich Corona-Themen beraten wurden. Einen zweiten oder dritten Sitzungstag gab es schon nicht mehr. Wobei sich die Frage stellt, warum die Abgeordneten in ihren geschützten Räumen weniger ins Risiko gehen wollen als die, die sie zuvor noch mit stehenden Ovationen bedachten: Polizisten, Verkäufer, Krankenpfleger."
Diese Frage lässt sich auf andere Gebiete ausweiten:
  • Warum droht, Ostergottesdienste vor leeren Kirchen abzuhalten, wo die Gotteshäuser in der Regel so groß sind, dass mit freien Reihen und Sitzen die Abstandsregeln eingehalten werden können?
  • Warum müssen beispielsweise Bekleidungs- und Elektrogeschäfte schließen, die meist so groß sind, dass sich ein paar Duzend Kunden problemlos aus dem Weg gehen können?
  • Warum darf man nicht alleine auf einer Wiese oder Parkbank sitzen?
  • Warum darf man mit Kollegen an einem gemeinsamen Werkstück arbeiten, beim Mittagessen aber nicht am selben Tisch sitzen?
  • Warum dürfen sich nicht einmal Genesene als Gruppe treffen?
Einen Hinweis auf den Hintergrund liefert die Begründung, warum Motorradfahren zum Vergnügen nicht mehr gestattet sei - mit dem Zweirad zum Einkaufen ist hingegen erlaubt: Die Intensivbetten in Krankenhäusern sollen für Corona-Patienten vorgehalten und nicht von verunfallten Motorradfahrern belegt werden. Und bei Corona ginge es ja schließlich um Menschenleben.
Dabei werden verschiedene Aspekte übersehen:
  • Bei Corona geht es um das Risiko für Menschenleben, nicht um Menschenleben selbst. Wer mit "Menschenleben" argumentiert, tut so, als würde jede Infektion direkt in den Tod führen. Auch wenn die Wissenschaft sich noch nicht einig ist, wie hoch die Sterblichkeit wirklich ist, sicher ist: Die wenigsten Infizierten werden sterben. Selbst in Italien, wo derzeit viele sterben, liegt es nach allem, was derzeit bekannt ist, nicht an der Infektion allein, sondern an Mängeln im dortigen Gesundheits- und Krankenhaussystem. Doch selbst wenn dies in der Risikobewertung berücksichtigt wird: Es werden nicht die meisten sterben.
  • Motorradfahrer steigen auf das Motorrad in der Annahme, dass nichts passieren wird. Wer Angst vor oder beim Motorradfahren hat, tut es nicht. Wenn nun wegen Corona unterstellt wird, jede Fahrt würde im Krankenhaus enden, geht das an der Realität völlig vorbei.
Doch verhält sich die Politik genau so, als ob die jeweils schlimmsten Annahmen real wären, das maximal denkbare Risiko das tatsächliche. Dieser Zugang ist falsch. Es ist richtig, solange die Wissenschaft das Virus nicht kennt, größt mögliche Vorsicht walten zu lassen. Es ist richtig, mit harten Maßnahmen Zeit zu erkaufen, um das Virus besser kennen zu lernen. Wie lange die harten Maßnahmen gerechtfertigt sind, muss hingegen gefragt werden.
In einem Interview mit Sigmar Gabriel in der Augsburger Allgemeinen vom 31.03.2020 sagt dieser zu Recht:
"Wer so tut, als ob es ernsthafte Alternativen zur Beschränkung der sozialen Kontakte geben könnte, der muss doch nur die weltweiten Erfahrungen betrachten: Dort, wo früh und massenhaft getestet wurde, schnell die Kreisläufe unterbrochen wurden und jedem Einzelfall nachgegangen wurde, ist man gerade dabei, wieder aus dem Krisenmodus herauszukommen."
Reduktion der Kontakte und damit ein Abschneiden von Verbreitungswegen sind zweifelsohne die Mittel der Wahl. Weiter sagt Sigmar Gabriel:
"Aber er (Chef der Arbeitsorganisation OECD, Anm.) will doch damit nicht ausdrücken, dass man jetzt naiv und schnell alle getroffenen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus zurücknehmen sollte."
Hoffentlich nicht. Natürlich ist ein Zurücknehmen "aller getroffenen Maßnahmen" nicht geboten. Allerdings ist geboten zu fragen, ob die aktuell gefahrenen breitbandigen Maßnahmen angemessen sind oder nicht durch präzisere Maßnahmen ersetzt werden sollten.
In Südkorea konnten 80% aller koreanischen Fälle auf eine Frau zurückgeführt werden, die fast täglich große Gottesdienste besucht hatte. Im Elsass, einem französischen Corona Hotspot, gilt ein Treffen einer Freikirche als Ausgangspunkt der regionalen Epidemie. Auch in Deutschland sind die Situationen in Gegenden mit hohen Infektionszahlen auf größere Feste wie Karneval (Heinsberg) oder Starkbierfest (Mitterteich/Tirschenreuth) zurück zu führen. Die Augsburger Allgemeine berichtet am 31.03.2020 dazu.
Es ist deshalb falsch, den generellen Lock Down Zustand über lange Zeit aufrecht zu erhalten. Über welche Zeiträume dabei gesprochen wird zeigen die Überlegungen in Österreich, die Schulen erst im September wieder aufzusperren. Es ist angesichts eines Risikos zur Ansteckung und in der Folge eines Risikos, tatsächlich zu erkranken und in der Folge eines Risikos, schwer zu erkranken, nicht darstellbar, dass der Lock Down über Monate aufrecht gehalten wird.
Es wird sinnvoll sein, das Land nicht sofort auf völligen Normalbetrieb zu schalten. Hier könnten Zugangsbeschränkungen zu bestimmten Orten ein Mittel sein, um bestimmte Abstände zwischen Menschen aufrecht erhalten zu können. Es könnten Gesichtsmasken notwendig sein für alle, die sich in die Öffentlichkeit begeben, um andere nicht anzustecken. Es könnte sinnvoll sein, besonders gefährdete Personengruppen besonders zu schützen - ob Besuchsverbote in Altenheimen über Monate dazu zählen, darf bezweifelt werden. Bis dieser Zeitraum verstrichen ist, sind viele einsam, aber halt nicht mit Corona gestorben.
Derzeit ist es so, wie Stefan Lange schreibt: Corona ist für die Politik ein Vorwand. Sie muss sich nicht mit Risiken adäquat auseinandersetzen: Risiken für Gesunde und Erkrankte, für Arbeitnehmer, für Unternehmer, für die Kulturbetriebe, für uns alle. Sie handelt, als sei der Worst Case der wahrscheinliche Fall. Corona ist der Vorwand, nicht mit präzisen Maßnahmen, die schwieriger umzusetzen und aufwändiger zu kontrollieren sind, auf die vorhandene Gefahr zu antworten. Corona Lock Down ist die Atomwaffe, die wirkt. Ihre starken Nebenwirkungen auch.

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