Sonntag, 8. Dezember 2019

Wird die AfD diskriminiert?

Götz Frömming, Bundestagsabgeordneter der AfD, hat in einem Tweet geäußert, die Demokratie nehme Schaden, wenn Einzelne ob ihres politischen Engagements berufliche Nachteile erfahren müssen:


Hintergrund war das Absetzen der Sendung "Steimles Welt" des Kabarettisten Uwe Steimle beim MDR. Die Fortsetzung der Sendung sei nicht möglich, da das Vertrauen zwischen den Beteiligten beschädigt sei, wie z.B. der Tagesspiegel berichtete. Steimle selbst sieht Zensur. Aus dem Umfeld der AfD gab es viel Zuspruch für den Kabarettisten und viel Kritik am MDR im Besonderen und dem öffentlichen Rundfunk im Allgemeinen.
Auf den Tweet von Hr. Frömming antwortete ich:
"Wäre die #AfD eine glaubwürdig konservative oder bürgerliche - von mir aus auch rechtskonservative - Partei, wäre Ihre Aufregung verständlich. Da aber die Abgrenzung zum Rechtsradikalismus nicht glaubhaft erfolgt, sind das die rechtsstaatlichen Konsequenzen."
Worauf Hr. Frömming schrieb:
"Das ist nun gerade nicht rechtsstaatlich. Solange eine Partei nicht verboten ist, dürfen ihre Mitglieder nicht benachteiligt werden. Siehe Grundgesetz. Oder wollen Sie zurück in die Zeiten, als es Berufsverbote gab?"
Ob eine verbotene und damit offiziell nicht mehr existente Partei überhaupt noch offizielle Mitglieder haben kann, spielt für die weitere Diskussion keine Rolle.

Berufsverbote

Wird eine Person oder eine Personengruppe mit einem Berufsverbot belegt, so ist es ihnen untersagt, bestimmte Tätigkeiten auszuüben. Beispiele sind
  • Ärzte, die ihre Approbation verlieren nach schweren Fehlern
  • Anwälte, denen die Zulassung wegen groben Berufsrechtsverstößen entzogen wurde
  • Straftäter, die als verurteilte Pädophile nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen
Ein solches oder vergleichbares Berufsverbot liegt im Falle Steimle sicher nicht vor. Kein Staatsorgan hat Hr. Steimle untersagt, Kabarett zu machen. Er darf es weiterhin, jedoch nicht auf der Bühne, die der MDR aufgebaut hat. 
Hr. Frömming verweist auf "die Zeiten, als es Berufsverbote gab". Vielleicht meint er damit den sog. Radikalenerlass, mit dem in den 1970er Jahren die Beschäftigung sog. Verfassungsfeinde aus dem rechts- und linksradikalen Milieu im öffentlichen Dienst verhindert werden sollte. Sollte Hr. Frömming tatsächlich diesen Erlass meinen, würde er Hr. Steimle einen Bärendienst erweisen, weil der Erlass sich auf bekannte Verfassungsfeinde bezieht. Hr. Steimle soll sich hingegen kritisch zur politischen Situation in Deutschland geäußert haben und so Berührungspunkte zur AfD haben. Die AfD selbst lehnt ab, rechtsextrem oder rechtsradikal zu sein, sie betont, auf dem Boden der Verfassung zu stehen. Also ist auch aus dieser Perspektive der Begriff der Berufsverbote sachlich unzutreffend.

Benachteiligung und Rechtsstaat

Der Vorgang zwischen Hr. Steimle und dem MDR hat nichts mit einem Berufsverbot zu tun. Er ist vielmehr Ausfluss der Vertragsfreiheit und der Privatautonomie. Diese wiederum fußen auf dem Persönlichkeitsrecht, das Art. 2 GG beschreibt:
"(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt."
Jeder ist berechtigt, seine Belange in Verträgen zu regeln, Verträge zu ändern etc. Natürlich muss der Vertragspartner einverstanden sein und der Gesetzgeber hat Grenzen der Privatautonomie definiert, die sich beispielsweise im Mietrecht, in Kontrahierungszwängen (z.B. Guthabenkonto) etc. zeigen. Es ist also grundsätzlich rechtsstaatlich, Verträge mit anderen zu schließen oder eben nicht bzw. bestehende Verträge nicht zu verlängern.

Diskriminierung

Der staatliche Rahmen zur Privatautonomie macht wenig Vorgaben, mit welchen Argumenten ein Abschluss eines Vertrages zwischen potentiellen Vertragspartners abgeschlossen oder abgelehnt werden darf. Eine sehr grundsätzliche Vorgabe ist das Diskriminierungsverbot des Art. 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention:
"Der Genuß der in dieser Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten ist ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status zu gewährleisten."
Die "politischen […] Anschauungen" sind eindeutig ein Fall, der im Zusammenhang mit der politischen Vorliebe für die AfD und ihrer Ansichten zum Tragen kommt. Auch wenn Steimle der Anlassfall für den Tweet von Hr. Frömming war, gibt es weitere ähnliche Fälle, wenn beispielsweise AfD-Mitglieder in Restaurants unerwünscht sind oder die AfD als Partei Schwierigkeiten hat, Räume für Versammlungen anzumieten.
Die AfD behauptet, das sei bereits diskriminierend. Nun, die Privatautonomie stellt es jedem anheim, frei über Vertragsabschlüsse zu entscheiden. Er kann, muss aber nicht die Gründe offenlegen. Dabei kann er sich diskriminierend verhalten und AfD-Nähe als Begründung haben, bestimmte Personen nicht willkommen zu heißen. Das ist genauso zulässig wie die Beschränkung mancher Hoteliers, keine Kinder unter 16 Jahren zu beherbergen. Die öffentliche Erregung seitens Betroffener über solche Beschränkungen mag persönlich verständlich sein. Rechtswidrig sind die Beschränkungen nicht. Selbst dann nicht, wenn sich nicht ausführlich begründet werden.
Etwas anderes wäre eine staatliche Diskriminierung. Die liegt im Falle Steimle jedoch nicht vor, auch wenn es sich beim MDR um eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt handelt. Denn auch diese darf Privatautonomie für sich beanspruchen. Zudem hat der MDR das Vertragsende mit einem zerstörten Vertrauen argumentiert und bei zerstörtem Vertrauen zwischen den Vertragspartnern ist die Fortsetzung des Vertrages i.d.R. nicht zumutbar.
Ein möglicher Fall Diskriminierung ist die Wahl - vielmehr Nichtwahl - von Vizepräsidenten im Bundestag oder im bayerischen Landtag. Die Kandidaten der AfD fielen mehrfach durch, so dass die Positionen unbesetzt sind, auch wenn die Partei nach der Geschäftsordnung oder anderen Regelwerken einen Anspruch auf eine solche Position hat. Im April hatte ich einen Blogeintrag veröffentlicht und an die im Bundestag vertretenen Parteien geschickt. Die Begründungen für die Nichtwahl von Harder-Kühnel waren von unterschiedlicher Qualität. Die Linke hatte ausführlich mit Zitaten und Handlungen von Harder-Kühnel argumentiert und so in ihrer Person liegende Gründe angeführt - sehr gut! Von anderen Parteien kamen lediglich Allgemeinplätze über Nicht-wählen-müssen und die AfD im Allgemeinen - schwach. Gerade Vertreter des Staates müssen genau darauf achten, #keineAfdOpferPose zu unterstützen. Die Qualität der Argumente gibt hier den Ausschlag.

Conclusio

Götz Frömming irrt, wenn wer er im Zusammenhang mit dem Fall Steimle von Berufsverboten redet. Dieser Begriff ist hier überhaupt nicht anwendbar. Eine Ungleichbehandlung von Personen wegen ihrer Nähe zur AfD mag im Privatrecht durchaus diskriminierende Züge haben. Dies ist jedoch rechtsstaatlich, weil die Privatautonomie ausdrücklich die Wahlfreiheit der Vertragspartner zulässt. Und welchem Vertragspartner soll zugemutet werden, sich in die Nähe von Rechtsextremismus setzen zu lassen, weil es der AfD nicht gelingt, sich selbst glaubwürdig davon zu distanzieren und tatsächlich eine konservative, bürgerliche Partei zu sein?

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