Montag, 2. September 2019

AfD als Wahlsiegerin?

Gregor Peter Schmitz hat in der Augsburger Allgemeinen vom 2.9. einen Leitartikel veröffentlicht zu den Wahlen in Brandenburg und Sachsen:


Gregor Peter Schmitz nennt zwei Sätze, die nach den Wahlen Wiedergänger werden:
"Der eine Satz wird lauten: Wie umgehen mit dieser Alternative für Deutschland (AfD)? Der andere Satz wird lauten: So schlimm ist es ja doch nicht gekommen. Schließlich sei die AfD ja nicht stärkste Partei geworden."
Der zweite Satz ist ein Offenbarungseid. Erregten sich Demokraten vor Monaten und Jahren noch darüber, ob die AfD überhaupt einen Platz in Parlamenten haben dürfe, begnügen sie sich heute mit der Feststellung, die AfD sei nicht stärkste Partei geworden. Sie ist in beiden Bundesländern klar zweitstärkste Kraft, der Abstand zur stimmenstärksten Partei keineswegs so groß, dass es beruhigen würde. Die Zugewinne sind beträchtlich, wie die AfD selbstbewußt twittert: in Sachsen fast eine Verdreifachung, in Brandenburg immerhin eine Verdoppelung. Beatrix von Storch sieht in ihrem Tweet bereits eine Zeitenwende:
"Nicht-linke Mehrheiten gibt es NUR noch mit der #AfD. Jenseits von ihr gibt es nur schwache kunterbunte Bündnisse. Das ist die Realität, die AfD ist der Spielmacher."
Und Jörg Meuthen twittert:


Der Begriff "Wahlsiege" wird sich angesichts der Ergebnisse kaum wegdiskutieren lassen. Ob es für die AfD schon zur "Volkspartei" im bisherigen Verständnis reicht, ist fraglich. Auch fraglich, ob die AfD das bisherige Verständnis einer Volkspartei überhaupt zu Grunde legen will, oder ob sie sich nicht nach einer neuen, eigenen Definition richtet, bei der dem Volk aufs Maul geschaut wird. Gewiss  hingegen ist:
"Die AfD hat sich als feste Größe etabliert. Sie ist kein flüchtiger Spuk, wie es die Republikaner waren."
Damit wird der erste Satz relevant, weil sich die AfD nicht aussitzen lassen wird. Erschwert wird die Antwort durch einen weiteren Befund:
"Die allermeisten Wähler, die ihr Kreuz bei der AfD machen, wissen von den dunklen Seiten dieser Partei. Radikale Positionen ziehen sie vielleicht nicht sonderlich an, schrecken sie aber auch nicht."
Doch was tun? Gregor Peter Schmitz schreibt:
"Deswegen muss die Politik ihre Reaktionsmuster hinterfragen. Es kann keine Lösung sein, nun Koalitionen mit der AfD zu erwägen. Man muss aber auch bedenken, dass deren komplette Ausgrenzung ihr die Chance bietet, sich noch mehr als Opfer zu vermarkten."
Die AfD stilisiert sich als Alternative zu den etablierten Parteien. Diese wiederum würden die AfD ausgrenzen, weil sie nicht hören wollen, was man doch sagen können müssen dürfe. Bei Wählern, denen die "dunklen Seiten dieser Partei" egal sind, die sich von radikalen Positionen nicht abschrecken lassen, verfängt diese Geschichte, der klar zu widersprechen ist. Zum Teil ist dieser Marketingtrick der AfD nicht gelogen, weil es ja tatsächlich Ansätze zur Ausgrenzung gibt, siehe AfD in der Fußballmannschaft des Bundestages, siehe Anträge, die abgelehnt werden, wenn sie von der AfD kommen und mit ähnlichem Inhalt von anderen Parteien Zustimmung erfahren. Es hilft nichts: Die Augen vor der AfD verschließen, hoffen, dass sie von selbst verschwindet, wenn sie lange genug ignoriert wird, wird nicht funktionieren. Deshalb wird sich die Politik mit den Politikdarstellern der AfD befassen müssen. Und wir dürfen #keineAfdOpferPose zulassen.
Allerdings wird es nicht reichen wenn "die Politik ihre Reaktionsmuster" hinterfrägt. Denn politische Muster verfangen nicht:
  • Radikale Positionen schrecken nicht
  • Die Ideologie der AfD ist eine diffuse
  • Unklar sind die Inhalte, die politischen Alternativen der AfD
  • "Lösungen" der AfD widersprechen teilweise dem Grundgesetz, den Menschenrechten etc.
  • Fakten werden ignoriert, beispielsweise der menschliche Einfluss auf das Klima
  • Offensichtliche Lügen werden geglaubt
  • Umdeutungen von Lügen wird geglaubt
Normalerweise sind Wahlen eingebettet in einen Prozess der politischen Willensbildung bei Wählern, die "sich überlegen, wer ihre Interessen am besten vertritt" und daraus ableiten, wo sie ihr Kreuz machen wollen. Doch die AfD bedient keine politischen Interessen. Sie bedient den Bauch, ein dumpfes Gefühl. Sie nimmt zwar am demokratischen Spiel in Deutschland teil, aber sie spielt nicht auf dem demokratischen Spielfeld im Wettkampf der besten politischen Ideen. Dies gilt, obwohl eine deutsche Demokratie auch konservative, vielleicht auch rechts-konservative Mitspieler ver- und ertragen kann. Die AfD ist nicht bürgerlich-konservativ, wie sie selbst behauptet. Sie deckt ein breites rechtes Spektrum ab, von dem bürgerlich-konservativ wohl nur der linke Rand ist. Ein Teil ihres Spektrums liegt außerhalb dessen, was als demokratisches Spektrum in Deutschland gelten kann.
Wie wenig die AfD im Übrigen auf demokratische Abläufe setzt, zeigt ihr Bemühen, im Vorfeld der Wahlen Wahlbeobachter zu rekrutieren. So verbreitete Frank Pasemann einen Aufruf des rechten Vereins "Ein Prozent für unser Land":


Während der Wahlen kam es laut Radio Dresden zu Störungen durch Wahlbeobachter. Wahlhelfer seien bedrängt und gestört worden, der Sicherheitsdienst musste eingreifen, um die Auszählung ordnungsgemäß zu ermöglichen. Am Tag nach der Wahl ruft "Ein Prozent" auf, Probleme, Hinweise und Fälle zu melden:


Es ist zu erwarten, dass "Ein Prozent" weiter am Eindruck arbeitet, die Demokratie in Deutschland sei gefährdet, Wahlen manipuliert und die Wahlergebnisse damit fragwürdig. Allerdings wagt sich derzeit niemand von der AfD aus der Deckung, um Wahlprobleme zu benennen - kein Wunder, bei den Ergebnissen.
Der Ablauf und der Ausgang der Wahlen in Brandenburg und Sachsen zeigen, dass und wie es der AfD gelingt, in demokratischen Wahlen undemokratisch zu agieren. Demokratie ist für die AfD lediglich Mittel zum Zweck. Sie will sich demokratisch legitimieren lassen, um eine teilweise undemokratische Agenda umzusetzen. Die AfD hat die stärksten Stimmengewinne erzielt. Da sie selbst nicht fest genug auf demokratischem Boden steht, kann sie den Titel der Wahlsiegerin jedoch nicht für sich beanspruchen.

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