Freitag, 8. Februar 2019

Maut-Maulerei

Detlef Drewes hat in der Augsburger Allgemeinen vom 8.2. anlässlich des Gutachtens zur deutschen PKW-Maut einen Leitartikel veröffentlicht:


Detlef Drewes schreibt:
"Niemand hatte daran geglaubt, dass ausgerechnet das höchste EU-Gericht die deutsche PKW-Maut retten könnte."
Umso interessanter ist die Lektüre der Ausführungen des Gutachters:
"Kurz gefasst verlangt das Diskriminierungsverbot, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen. Eine unterschiedliche Behandlung wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn sie auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen beruhte und in einem angemessenen Verhältnis zu einem legitimen Zweck stünde, der mit den nationalen Rechtsvorschriften verfolgt wird. [...]
Für die Feststellung eines Falles von Diskriminierung muss zunächst eine geeignete Vergleichsgröße gefunden werden: eine Person, die sich in einer vergleichbaren Situation befindet und aufgrund des identifizierbaren Merkmals eine günstigere Behandlung erfährt. Insoweit ist es nicht erforderlich, dass das Opfer der Diskriminierung oder der durch die günstigere Behandlung Begünstigte zu einem bestimmten Zeitpunkt als Menschen aus 'Fleisch und Blut' identifiziert werden: Es genügt, wenn aufgrund der angeblich diskriminierenden Maßnahme offensichtlich ist, dass diese Personen existieren. [...]
Folglich liegt, wenn beide Maßnahmen zusammen betrachtet werden – wie es die österreichische Regierung vom Gerichtshof verlangt –, offensichtlich keine weniger günstige Behandlung ausländischer Fahrer vor: Für jedes in einem anderen Mitgliedstaat zugelassene Fahrzeug, das auf deutschen Autobahnen genutzt werden wird, wird, damit es dort genutzt werden darf, an die deutschen Behörden stets ein geringerer Betrag gezahlt werden als der, der vom Halter eines in Deutschland zugelassenen Fahrzeugs desselben Modells entrichtet wird. [...]
Abschließend ist festzustellen, dass es der österreichischen Regierung nicht gelungen ist, ihren Standpunkt in Bezug auf zwei Diskriminierungsgrundsätze überzeugend darzulegen: Zum einen befinden sich die beiden Gruppen von Personen, die sie verglichen hat, in Bezug auf die von ihr beanstandeten Maßnahmen nicht in einer vergleichbaren Situation. Zum anderen konnte sie keine weniger günstige Behandlung darlegen, die die in Rede stehenden Maßnahmen für die Fahrer ausländischer Fahrzeuge bedeuten würden."
Nach dem Gutachten liegt also keine Diskriminierung vor. Wir werden sehen, ob das Gericht diesen Argumenten folgt - in der Regel ja. Doch ungeachtet der rechtlichen Zulässigkeit einer solchen Mautkonstruktion weist Detlef Drewes zu Recht auf die inhaltlichen Fehler hin:
"Wer viel fährt, zahlt auch viel. [...] Das ist der wohl wichtigste Einwand, der bedauerlicherweise vor dem Gerichtshof keine Rolle gespielt hat. Obwohl auch diese Vorgabe in den europäischen Richtlinien zur Maut ausdrücklich festgeschrieben wurde, durchgesetzt wird sie nicht."
Deutschland führt also eine Maut ein, die europäischen Vorgaben widerspricht. Sollte in den nächsten Jahren eine europäische Maut kommen, ist die deutsche nur noch Schrott. Und mit ihr die Apparaturen und Infrastrukturen, die für die deutsche Maut gebaut wurden.
Detlef Drewes weiter:
"Hinzu kommt die weiter offene Frage, ob sich die Installation und der kostspielige Betrieb eines Mautsystems überhaupt lohnt. [...] Mit anderen Worten: Im besten Fall kann die Bundesregierung gut 80 Kilometer unserer Schnellstraßen finanzieren - im ungünstigsten Fall gerade mal fünf."
Es wird also ein Mautsystem eingeführt mit riesen Brimborium, um dann eine Autobahn zu bauen über eine Länge, die eine bequeme Tagesetappe einer Radtour umfasst.
Detlef Drewes weiter:
"Die Pkw-Maut ist eine Einzelmaßnahme, die keine Antwort auf die Frage liefert, welche Rolle das Auto [...] spielen soll, neben der Bahn, neben dem öffentlichen Personennahverkehr, neben Carsharing, neben anderen Verkehrsmitteln wie Fahrrädern oder Bussen."
Ein Minister, der unbeeindruckt von den aktuellen intensiven Diskussionen über Motorisierungen, über Verkehrskonzepte, über Umwelt- und Luftreinhaltung etc. auf eine solche Einzelmaßnahme setzt, hat seine Aufgabe verfehlt. Denn der Minister hat die Aufgabe, die Zukunft zu gestalten und nicht nur das Heute zu verwalten.
Die Maut ist also eine Einzelmaßnahme mit Ablaufdatum, deren Lenkungseffekt gleich Null und deren Wirtschaftlichkeit höchst fragwürdig ist. Doch Andreas Scheuer beharrt darauf, die "Maut-Maulerei" aus Österreich müsse nun aufhören.
Der Begriff ist falsch gewählt. Österreich kritisiert die Maut mit einem für den Gutachter nicht stichhaltigen Argument. Maut-Maulerei war die Einführung der Maut. Da wurde über Gerechtigkeit schwadroniert, die Ausländer müssten endlich ihren Beitrag zahlen, es könne nicht sein, dass sie gratis über vom deutschen Steuerzahler finanzierte Autobahnen führen. Maulerei auf Stammtischniveau.
Es wird ein technisches Monstrum entwickelt werden, das von einem Unternehmen realisiert werden soll, in dem ein ehemaliger Mitarbeiter des Verkehrsministeriums in der Geschäftsführung sitzt: Stefan Stadler ist Geschäftsführer Qualität. Wie nah das Verkehrsministerium der Wirtschaft war, lässt sich über Jahre nachvollziehen. So vielleicht auch hier: Es geht nicht um Einnahmen aus der Maut. Es geht um ein Ruhekissen für ausgeschiedene verdiente Mitarbeiter, die weiter verdienen sollen. Für deren Zukunft wird vorgesorgt. Nicht aber für die Zukunft der Mobilität in Deutschland.

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