Freitag, 9. November 2018

Gesteuerte Hysterie

Simon Kaminski hat in der Printausgabe der Augsburger Allgemeinen vom 9.11. einen Kommentar veröffentlicht zu der Aufregung um den sog. Migrationspakt:


Simon Kaminski titelt mit "Gesteuerte Hysterie", was zutreffend die Aufregung beschreibt, die dem "Globalen Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration" entgegen gebracht wird.
Worum es tatsächlich geht, findet sich in einem anderen Beitrag der Augsburger Allgemeinen:
"'Der Pakt ist kein völkerrechtlicher Vertrag und nicht rechtsverbindlich', heißt es aus dem Auswärtigen Amt. Die Ziffer 15 ist klar formuliert: 'Es ist das souveräne Recht der Staaten, ihre nationale Migrationspolitik selbst zu bestimmen.'"
"Es werden 23 Vorgaben gemacht. So sollen verlässliche Daten über die Migration gesammelt werden, Migranten sollen Ausweispapiere erhalten, Migranten sollen nur als letztes Mittel festgesetzt werden dürfen, und die Staaten sollen ihre Grenzsicherung koordinieren. Laut dem Pakt sollen Migranten Zugang zu Grundleistungen erhalten, darunter fällt Schulbildung für Kinder. Diese Leistungen gehen aber nicht über die Angebote hinaus, zu denen sich Länder wie Deutschland, die Schweiz, Österreich oder Luxemburg ohnehin selbst verpflichten."
Damit ist klar, dass es zu keinem Eingriff in staatliche Souveränität kommen soll. Dies ist explizit so formuliert im Originaltext, bereits in der Präambel, Punkt 7
"[...] wahrt die Souveränität der Staaten und ihre völkerrechtlichen Pflichten."
Die Aufregung ist aus zwei Gründen so groß.

Politisches Vorgehen

Simon Kaminski schreibt:
"Seit Jahren verhandeln fast alle Nationen dieser Erde über diesen [...] Pakt. Doch die Bundesregierung versäumt es, die Öffentlichkeit zu informieren."
Das ist schwach, kurzsichtig. Vielleicht liegt es nach wie vor an der Schwierigkeit, die Parteien im Umgang mit der AfD haben. Sie haben kein Rezept, mit diesen Faktenverdrehern, Verschwörungstheoretikern, Elitenverächtern und mehr oder wenig stark ausgeprägten Rassisten umzugehen. Dabei ist klar, dass ein solcher Pakt nicht geheim gehalten werden kann. Und er darf es auch nicht. Denn weil er rechtlich unverbindlich ist, kann er nur dann irgendeine Wirkung entfalten, wenn er bekannt ist und diskutiert wird. Die Regierung hat selbst dafür gesorgt, dass die Wogen nun so hoch schlagen.
Die deutsche Regierung gibt sich jedenfalls nicht die Blöße, die sich der österreichische Kanzler Sebastian Kurz gibt, der von Strache getrieben aus dem Pakt überhaupt aussteigt.

Aufgebauschte Inhalte

Dabei gibt es von den Inhalten her weder einen Grund, den Pakt geheim zu halten, noch gibt es einen Grund für die Behauptungen der AfD, es würde nun zu einem Massenansturm Migrationswilliger kommen. Die AfD lügt, wenn sie die Aufgabe nationaler Souveränität an die Wand malt. Die AfD lügt, wenn sie behauptet, es würde ein Recht auf legale (statt reguläre) Migration entstehen. Die AfD lügt, wenn sie das Einsickern in nationale Rechtssprechungen über Gewohnheitsrecht oder "Soft-Law" behauptet.
Wo Faktenverdrehungen nicht ausreichen, wird eine Verschwörung konstruiert. So twittert Götz Frömming am 8.11. um 2:28 Uhr:
"Vieles spricht dafür, dass die Bundesregierung eine treibende Kraft bei der Aufsetzung des #GlobalCompact für Migration war, aber eine öffentliche Debatte in Deutschland verhindern wollte."
Unterstützt wird diese Kritik von der Bildzeitung, die fordert, die Bundesregierung müsse 16 Punkte erklären. Manche versteigen sich in Theorien, nach denen Georgo Soros alles bezahlen würde, um Europa auszuradieren.
Es ist als Mittel politischer Aktivität natürlich zulässig, Vorkommnisse unterschiedlich zu gewichten und zu bewerten, von unterschiedlichen Grundstellungen auf die Vorkommnisse zu schauen. Wenn jedoch nicht mehr die Bewertungen gegeneinander gestellt werden, sondern bereits faktenfreie Behauptungen aufgestellt werden, greift das das an, was die Demokratie zu erreichen verspricht: die beste Lösung zu finden. Wer mit Hysterie und Lügen Politik macht, kann das Etikett "Demokrat" nicht mehr für sich in Anspruch nehmen. Das gilt für die AfD genau so wie für Donald Trump.

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