Sonntag, 7. Oktober 2018

Schuldige (in) der CSU

In einem Artikel in der Augsburger Allgemeinen vom 6.10. beschreiben Uli Bachmeier und Bernhard Junginger die Suche der CSU nach Schuldigen für das von Umfragen prognostizierte schlechte Abschneiden bei der Landtagswahl am 14.10.:


Die Autoren schreiben, wie klar für Markus Söder die Sache ist:
"Wenn die Landtagswahl in Bayern für die CSU zu einem Debakel wird, dann liegt das nach Ansicht des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder ausschließlich am schlechten Erscheinungsbild der Großen Koalition in Berlin."
Und deshalb ist Söders Taktik im Endspurt:
"Der Ministerpräsident will den Fokus in der letzten Wahlkampfwoche ganz auf Bayern legen. Es gehe um Stabilität und um ein starkes Land."

Bayern und Berlin

Die Vokabel "Stabilität" wurde in den letzten Tagen auf allen Kanälen ventiliert. Im Bericht heißt es:
"Gemeinsam mit Bauministerin Ilse Aigner, die auch Vorsitzende des mächtigen CSU-Bezirksverbandes Oberbayern ist, warnte Söder vor Instabilität durch einen Landtag mit möglicherweise sogar sieben Parteien."
Ja, mit mehr Parteien im Landtag werden die Mehrheitsverhältnisse fragiler, die Optionen der Kooperation zahlreicher. Doch ist es nicht abwegig zu vermuten, eine solche Vielfalt im Landtag entspräche der Vielfalt der Ansichten und Meinungen der Wähler. Allenthalben wird der Verfall der Volksparteien konstatiert, aus Sicht der Volksparteien beklagt. Aus demokratischer Sicht ist jedoch wenig beklagenswert, wenn es neue Parteien gibt, die spezifischer die Bedürfnisse ihrer Zielgruppe aufgreifen und vertreten. Bayern wird dadurch nicht unregierbar. Es wird nur nicht mehr alleinregierbar durch die CSU. Dieser sich abzeichnende Zustand nagt am Selbstverständnis der CSU, weshalb Söder einen Sündenbock präsentiert und an die Wähler appelliert:
"Ohne seinen parteiinternen Konkurrenten, CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer, direkt zu nennen, sagte Söder am Freitag in München: 'Insgesamt hat Berlin im letzten Dreivierteljahr für anhaltende Unruhe gesorgt.' Gleichzeitig appellierte er an die bayerischen Wähler, die Landtagswahl nicht zu einer Denkzettelwahl gegen die Koalition in Berlin zu nutzen. 'Die Landtagswahl verändert in Berlin nix, aber Bayern kann sich dadurch grundlegend verändern', sagte Söder und warb erneut für Stabilität im Freistaat."
Abgesehen davon, ob die Landtagswahl in Berlin "nix" ändert oder ob nicht doch im Bundesrat - mit Sitz in Berlin - eine zumindest kleine Änderung erkennbar wird, ist der Aufruf an die Wähler, keine Denkzettelwahl zu machen, verwirrend.
Nach der Bundestagswahl sollte Horst Seehofer bayerische Agenden auf Bundesebene vertreten. Zusätzlich zum gemeinsamen Wahlprogramm mit der CDU hat die CSU den Bayernplan erfunden. Seehofer sollte sein Statthalter in Berlin sein. Mit überschaubar großem Erfolg, wie das ergebnislose Gezänk seit einem Jahr zeigt.
Im Bayernplan finden sich die CSU-Garantien:
  • Entlastungsgarantie
  • Versorgungsgarantie
  • Sicherheitsgarantie
  • Ordnungsgarantie
  • Familiengarantie
  • Beteiligungsgarantie
Im Regierungsprogramm zur Landtagswahl lassen sich diese Punkte wieder entdecken. Die Politik, von der die CSU behauptet hat, sie nach der Bundestagswahl im Bund umsetzen zu wollen, will sie auch in Bayern umsetzen. Warum auch nicht, diese Politik entspricht der CSU. Doch wenn einerseits eine ähnliche Politik in Bayern und im Bund gemacht wird und andererseits Seehofer mit dem Auftrag, bayerische Politik nach Berlin zu tragen, entsandt wurde, warum soll der Wähler das nun ausblenden und nur an Bayern denken?

Stabilität

Weil es in Berlin gar chaotisch zugehe, müsse in Bayern Stabilität herrschen. Garant dieser Stabilität sei die CSU. Nur die CSU. Um das glaubwürdig zu verkörpern, müsste Markus Söder selbst stabil sein. Doch er war selbst sehr wandlungsfähig:
  • Vor seiner Zeit als Ministerpräsident war er ein "scharfer Hund", als angehender und tatsächlicher Ministerpräsident wandelte er sich zum ausgleichenden Landesvater.
  • Er erfand die Vokabel "Asyltourismus", von der er sich distanzierte, als das Feuerwerk nicht wie gewünscht zündete.
  • Er versuchte der AfD Wähler abspenstig zu machen, in dem er mehr konservative, mehr rechte Politik umsetzen wollte. Erst mit den Vorkommnissen von Chemnitz will er erkannt haben, wie rechts die AfD sei und grenzte die CSU deutlicher ab.
Zudem: die Wahlgeschenke, im Jahr 2018 vor der Landtagswahl aus dem Füllhorn des Staatssäckels übers Volk gestreut, zielen auf vorhandene Probleme (z.B. Wohnungspreise), wirken aber getrieben. Getrieben von einer AfD, die mehr für die eigenen Leute und weniger für die Fremden fordert. Die CSU hat geliefert. So wirkt der Aufhänger "Stabilität" nicht als Fels in der Brandung, sondern als flatterndes Fähnchen aus einer vergangenen Zeit. Weder Söder noch die CSU vermittelten im Umgang mit der AfD jene gerade Linie, jene Verlässlichkeit, die "Stabilität" intendiert.
Im Artikel der AZ heißt es:
"Für die schwachen Umfragewerte zwischen 33 und 35 Prozent sei die Politik von Söder 'mindestens' so verantwortlich wie die der Großen Koalition, sagten unisono mehrere CSU-Abgeordnete. Den Asylstreit in der Union etwa habe der Ministerpräsident zum 'Endspiel um die Glaubwürdigkeit' stilisiert."

Conclusio

Die CSU und Markus Söder können nicht glaubhaft vermitteln, dass sie sich auf Bayern konzentrieren. Sie können nicht glaubhaft vermitteln, Stabilitätsgarant zu sein. Stabilität setzte eine Strategie voraus. Doch die einzige Strategie der CSU scheint der Machterhalt in Bayern zu sein. Die Taktik der CSU zur Realisierung der Strategie ist wandelbar, mithin instabil. Die Angst, durch Verlust der Fähigkeit zur Alleinregierung Macht und Bequemlichkeit einzubüßen, hat nichts mit Stabilität im landespolitischen Sinn zu tun, das betrifft nur die Stabilität der Wohlfühlzone der CSU. Willkommen im Heute, CSU!

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