Sonntag, 15. November 2015

Das Spiel der AFD

Michael Stifter analysiert in der Augsburger Allgemeinen die Zukunft der AFD:



Ein Anlass für den Leitartikel könnte die aktuelle Umfrage der INSA gewesen sein, die die AFD bei etwa 10% der Stimmen sieht. Damit wäre die AFD im Bundestag vertreten. Die im Text groß platzierte Aussage, nach der 90% mit der Partei nichts zu tun haben wollen, interpretiert die Umfrageergebnisse jedoch zu positiv. Denn zwischen "Ich wähle eine Partei XY" und "Ich will mit Partei Z nichts zu tun haben" gibt es  Unterschiede. Ich kann in bestimmten Punkten der Partei Z vollkommen zustimmen, aber dennoch eine andere Partei wählen. Dies insbesondere dann, wenn die andere Partei das bessere "Gesamtpaket" geschnürt hat. Michael Stifter schließt seinen Leitartikel mit der positiv klingenden Aussage, das Spiel der AFD wird nicht auf Dauer aufgehen. Ich meine, das kommt darauf an.
Wird die AFD lediglich auf ihre braunen Rülpser reduziert, die Michael Stifter beispielhaft anführt, wird die AFD nicht auf Dauer erfolgreich sein. So wie Republikaner und NPD bestenfalls ein Nischendasein fristeten und fristen, wird sich auch für die AFD kein weites Feld ergeben.
Ich sehe jedoch eine Gefahr, wenn es der AFD gelingt, auch andere Politikfelder zu besetzen. Hierzu lohnt ein Blick in die Leitlinien der Partei, nach denen
  • die Demokratie beschädigt sei, weil in Europa entschieden würde ohne demokratische Legitimation,
  • der Rechtsstaat beschädigt sei, weil Verträge gebrochen würden,
  • die Gewaltenteilung beschädigt sei, weil der Bundestag von der Regierung unter Druck gesetzt würde,
  • die soziale Marktwirtschaft beschädigt sei, weil Sparer haften müssten,
  • die europäische Idee beschädigt sei, verursacht durch die Eurokrise.
Bereits in diesen Leitlinien mag der eine oder andere Bürger sich erkennen. Die aktuelle politische Lage bietet weitere Ansatzpunkte. Als Lösung sieht die AFD
  • den Respekt vor der Mehrheitsbevölkerung und vor Minderheiten
  • die Durchsetzung des bestehenden Rechts
  • die Abschaffung der überbürokratischen Bevormundung der Bevölkerung
  • den Kampf gegen die Kriminalität bei Schutz der Privatsphäre
  • in der erweiterten Zuständigkeit des Parlaments
  • in direkter Demokratie und Meinungsfreiheit
  • in sozialer Marktwirtschaft
  • in Geldwertstabilität und Steuergerechtigkeit
  • in Investition in Familien und Bildung
  • in einer klaren Steuerung der Zuwanderung
  • im Respekt vor der Natur.
Auf einem solchen Abstraktionsniveau klingt die AFD nicht viel anders als die CSU in Bayern. Deshalb bin ich nicht beruhigt und glaube auch nicht an eine zwangsläufige Selbstzerstörung.
Um das Gefahrenpotential der AFD zu verstehen, lohnt ein Blick zur österreichischen FPÖ.
  1. Früher mit Jörg Haider, nun mit HC Strache verfügt die Partei über einen Proponenten, der auf die Bevölkerung sympathisch wirkt. Strache umgibt sich gerne mit der Jugend, gibt sich jugendlich, sucht den Kontakt beispielsweise in Diskotheken. Er erscheint so als Gegenentwurf zu den langweiligen, stromlinienförmigen, ja fast spießigen anderen Berufspolitikern.
    Freilich hat die AFD derzeit eine solch ansprechende Person nicht. Was wäre jedoch, wenn ein vergleichbarer Kopf auftauchen würde?
  2. In der FPÖ gibt es braune Gesinnung. Immer wieder tauchen entsprechende Äußerungen im Umfeld der Partei auf. In der Folge distanziert sich die politische Spitze mehr oder weniger von den angeblichen Einzelmeinungen. Sie kann so einerseits das Signal senden, sie wären keine Nazis, andererseits sind rechts-konservative Ansichten in der Partei möglich und üblich.
    Was wäre, wenn die AFD mit den Bachmanns, den Höckes, den Gaulands geschickter umginge, sie vielleicht sogar strategisch an der rechten Flanke einsetzen würde?
  3. Die FPÖ konnte sich als Kleiner-Mann-Versteher etablieren. Nur die FPÖ würde die Ängste der Bevölkerung ernst nehmen. Sie setzte dabei auf Themen, die auch derzeit Angstthemen sind: Einwanderung, Islam, Euro.
    Was wäre, wenn die AFD sich als die einzige Partei präsentieren würde, die die Sorgen wirklich ernst nimmt? SPD und Grüne könnte sie als personifizierte Willkommenskultur darstellen, die CDU unter Kanzlerin Merkel als Wir-schaffen-das, die CSU als bestenfalls ein lokales Phänomen in Bayern. Was wäre, wenn die AFD einen bundesweiten CSU-artigen Kurs fahren würde?
  4. Die FPÖ konnte sich als Protestalternative positionieren. Die anderen etablierten Parteien seien in gegenseitigen Abhängigkeiten, im Filz und überhaupt in ihrer Schwachheit gefangen. Wer wirkliche Veränderung wolle, müsse FPÖ wählen.
    Was wäre, wenn die AFD vor dem Hintergrund akzeptabler politischer Inhalte noch eine Proteststimmung für sich nutzen könnte?
  5. Die FPÖ konnte sich mit plumpen wie eingängigen Wahlsprüchen permanent im Gespräch und in der Öffentlichkeit halten. Beispielsweise wurde "Daham statt Islam" propagiert, später ruderte Strache zurück und behauptete, der Spruch wäre eine Verkürzung, die er nicht mehr verwenden würde.
    Was wäre, wenn die AFD den Spagat schafft zwischen Sprüchen, die vorhandene Ängste der Bevölkerung aufgreifen, in der Öffentlichkeit diskutiert werden und andererseits der behaupteten Abgrenzung zum Rechtsradikalismus?
Derzeit mag die Gefahr noch nicht groß sein. Weder sehe ich die geeigneten Personen bei der AFD noch die dafür notwendige Professionalisierung im Auftreten. Wenn jedoch Konservative mit ihrem Vokabular den Boden bereiten - Schäubles Lawinenbild sei hier angeführt - und die AFD sich in dieser Spur geschickt verhält, kann sie CDU und CSU sehr wohl gefährlich werden und ihnen Wähler abspenstig machen. Bleiben wir also wachsam!

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