Mittwoch, 6. März 2019

Orbán und die EU

Gregor Peter Schmitz hat in der Augsburger Allgemeinen vom 6.3. einen Kommentar veröffentlicht zu den Aktivitäten von Viktor Orbán und den zu ziehenden Schlussfolgerungen:


Gergor Peter Schmitz bezeichnet treffend Orbán aus Sicht der CDU/CSU als "einen peinlichen Verwandten", der "mitunter gar als Vorzeigewerwandter" "zu Familienfeiern" eingeladen war. Wobei: der Anlass, nämlich als Kronzeuge für Merkels Flüchtlingspolitik aufzutreten, weder als Familienfeier noch als Vorzeigeereignis herhalten kann. Das war eine Einladung an einen bekannten Party Crashers für eine Party, bei der sich die einladende CSU nicht crash-stark genug gefühlt hatte.
Doch über das Partyniveau ist Orbán längst hinaus, er ist "mehr als peinlich, er ist gefährlich". Gregor Peter Schmitz sieht die Gefährlichkeit, weil Orbán "vielleicht kein Antisemit ist, aber Worte der Antisemiten für seine (Macht-)Zwecke nutzt". Als Beispiele führt er "Spekulanten" und "Weltbürgertum" ins Feld, "den ewigen Juden, beispielhaft verkörpert durch Investor George Soros."
Wie sehr sich Viktor Orbán an George Soros abarbeitet, zeigt auch ein Interview in der Sendung "Guten Morgen Ungarn" von Radio Kossuth vom Januar 2019:
"Obwohl es am besten ist, wenn das Land nicht attackiert wird, und ich keine solchen Besuche im Europäischen Parlament absolvieren muss, doch jetzt steht eine Debatte bevor, die ein Wahlkampfevent sein wird. Wenn es also keinen Sinn hat, zu debattieren, dann muss man nicht debattieren, wenn es bei einer Diskussion um nichts geht, dann ist es vielleicht besser, an dieser lieber nicht teilzunehmen. Das jetzt wird so eine George Sorossche Seance, so eine Wahlversammlung, auf der die die Einwanderung unterstützenden Abgeordneten der Europäischen Union zu einem kleinen Autodafé zusammenkommen, um dort das ihnen missfallende Land – das ist jetzt gerade Ungarn – dann gründlich zu verurteilen, ihr Urteil aus der Sicht der Sorosschen offenen Gesellschaft formulierend."
"George Soros verfügt über eine sehr starke Vertretung im Europäischen Parlament. Am meisten spricht jene Tatsache für sich selbst, dass die Linke, die die Hauptkraft der Anhänger im Europäischen Parlament und auch in der Kommission darstellt, also diese Linke hat als Spitzenkandidaten für die europäischen Wahlen einen Holländer namens Timmermans, der ein Mann von George Soros ist – hierbei lohnt es sich nicht, dies in Abrede zu stellen. Die Linke hat also beschlossen, an die Spitze der Europäischen Kommission, die vielleicht das wichtigste Organ der Europäischen Union ist, diesen Menschen setzen zu wollen. Es ist offensichtlich, dass George Soros – jetzt bereits offen – die europäischen Institutionen besetzen möchte. Auch bisher hat er schon einen riesigen Einfluss gehabt, mehrere hundert Abgeordnete unter den europäischen Abgeordneten stehen auf seiner Liste, auch mehrere Kommissare, die in der Europäischen Kommission sitzen, sind eindeutig seine Leute. Doch indem Herr Timmermans der Spitzenkandidat der Linken, der Präsidentschaftskandidat für die Kommission geworden ist, der eindeutig ein Mann von George Soros ist, was – wie soll ich es ausdrücken? – eine derart allgemein bekannte Tatsache darstellt, die keiner Beweisführung bedarf, höchstens wieder und immer wieder in Erinnerung gerufen werden sollte, bedeutet dies, dass George Soros seinen Anspruch auf die offene Besetzung und Beherrschung der europäischen Institutionen angemeldet hat."
Soros wird als der große Strippenzieher im Hintergrund präsentiert, der "die europäischen Institutionen besetzten möchte". Auch wenn die Religion von Soros im Interview keine Rolle spielt, spielt Orbán auf der Klaviatur des permanent mitschwingenden Antisemitismus. Orbán selbst kann sich als Verfechter der wahren Ungarn, als Kämpfer gegen eine internationale Verschwörung präsentieren.
Die aktuelle Frage, ob ein Ausschluss der Partei Fidesz aus der konservativen EVP im Europaparlament Orbán treffen würde, untersucht ein Hintergrundbericht von Detlef Drewes und Michael Stifter in der AZ:


Ein Rauswurf sei mit einem "Bedeutungsverlust verbunden, den sich der 'Selbstdarsteller' kaum leisten will". Fraglich, wie stark der Verlust wäre:
"Auf der anderen Seite stehen die Orbán-Anhänger, die dem ungarischen Premier dankbar für seine harte Flüchtlingspolitik sind, in deren Folge die Balkan-Route geschlossen wurde."
Mag sein, dass die derzeitige Diskussion vor dem Hintergrund der anstehenden Europawahl "plumpes Kalkül" ist. Dennoch stellt sie sich. Aus europäischer Sicht sollte die Frage nutzenorientiert angegangen werden:

  • Welchen Eindruck wird den Rauswurf auf Orbán machen?
    Keinen, vermute ich, im Gegenteil, er wird sich bestätigt fühlen als derjenige, der eine Verschwörung bekämpft.
  • Welche Nutzen hat die EVP?
    Moralisch sicher den, einem fragwürdigen Familienmitglied entsagt zu haben. Aber auch in der eigenen Bedeutung geschrumpft zu sein, weil die Fraktion weniger Mitglieder haben wird.
  • Welchen Schaden hat die Fidesz?
    Wird sie bedeutungslos oder wird sie von einer (neu)formierten rechten Fraktion mit offenen Armen empfangen? Da die Rechte bereits von einem Erstarken träumt, sollte mit einer vereinigten Rechten gerechnet und ihr nicht potentielle Mitglieder zugeschanzt werden.
  • Welchen Nutzen hat das Parlament und haben die europäischen Anliegen?
    Bisher sind die Abgeordneten der Fidesz nicht durch explizit negatives Abstimmungsverhalten im Parlament aufgefallen. Solange sie nicht dezidiert gegen die EVP stimmen, würde ein Rauswurf auch die europäische Kraft der EVP schwächen.
Günstig wäre es, einen Weg zu finden, die Kraft der europafreundlichen EVP zu erhalten und dennoch Viktor Orbán Grenzen aufzuzeigen. In den 1980er Jahren gab es mit Kurt Waldheim einen Bundespräsidenten Österreichs, der der Beteiligung an NS Verbrechen verdächtig war. Damals waren Maßnahmen sehr zielgerichtet auf seine Person. So sollten wir es auch mit Orbán halten.

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