Montag, 18. Februar 2019

Trump, der Sandkastendealer

Karl Doemens hat in der Augsburger Allgemeinen vom 18.2. einen Leitartikel veröffentlicht zum Vorgehen von US-Präsident Trump, der die Mauer zu Mexiko finanzieren will:


Im Wahlkampf versprach Trump er werde eine Mauer bauen, um illegale Grenzübertritte, Waffen- und Drogenschmuggel zu beenden. Was damals wie heute niemanden interessierte, waren die Fakten:
"Die Zahl der erfassten illegalen Grenzübertritte ist seit der Jahrtausendwende im Gegenteil um 75 Prozent auf rund 400.000 gesunken. Und von einem Anstieg der Kriminalität in der Grenzregion ist nichts zu spüren. Ja, es kommen Waffen und Drogen in die USA. Aber sie werden nach den Angaben von Trumps eigenen Experten ganz überwiegend über die offiziellen Grenzstationen eingeschmuggelt."
Was hingegen interessierte, war die Mauer an sich:
"Erst sollte Mexiko zahlen. Dann der amerikanische Kongress. Eine 'wunderschöne massive Mauer' von 1000 Meilen werde er bauen und damit illegale Zuwanderung, Drogenhandel und Kriminalität stoppen, fabulierte Donald Trump im Wahlkampf. 'Build the wall', ließ er seine Anhänger skandieren, bis er den Slogan kürzlich in 'Finish the wall!' steigerte: Mach die Mauer fertig!"
Was Trump tatsächlich erreicht hat, war wenig. Nach dem längsten Shutdown der US-Geschichte, vielmehr dem bisher längsten Erpressungsversuch eines US-Präsidenten gegenüber dem Parlament, nur das:
"Und auch Republikaner und Demokraten im US-Kongress halten die Tasche zu. Gerade einmal 1,375 Milliarden Dollar für 55 Meilen Zaun, nicht Mauer, haben sie nun bewilligt."
Willfährige Adlaten kramen andere mögliche Geldquellen hervor, wie z.B. Ted Cruz, worüber die FAZ berichtet hat:
"Was diese anderen Quellen sein könnten, verdeutlichte nun der republikanische Senator Ted Cruz. In einem Video, reich an Gesten und Animationen, wirbt er dafür, das Vermögen des Drogenbosses 'El Chapo' und anderen mexikanischen Kriminellen für den Bau der Grenzmauer zu verwenden."
Doch das reicht dem Präsidenten nicht.
"Also wirft der Präsident nun wütend den ganzen Spieltisch um. Wenn er auf verfassungsmäßigem Weg nicht an sein Geld kommen kann, dann holt er es sich nach der Art eines Autokraten"
Trump ruft den Notstand aus. Eine glatte Lüge, denn wenn die Lage wirklich so dramatisch wäre, müsste er anders handeln:
"Und würden die Amerikaner durch Horden von Invasoren bedroht, müsste die Grenze sofort durch Truppen und Stacheldraht gesichert werden. Der Bau einer massiven Mauer aus Stahl und Beton aber wird viele Jahre dauern."
Trump bleibt sich treu. Alles für den Dackel, alles für den Hund. Der Dackelhund sind seine Kernwähler, die Trumps Fabeln über Zusammenhänge und Fakten glauben:
"Doch in seiner faktenfreien Demagogie dürfte Trump diese Entwicklungen zu seinen Gunsten umzudeuten versuchen. Je schlimmer die Lage, je größer die Widerstände, je stärker die Polarisierung, desto besser kann sich der Narzisst mit seinen autokratischen Neigungen als unerschrockener Kämpfer in Szene setzen."
Erster Widerstand zeigt sich in den ersten Klagen. Anwohner der Grenzregion setzen sich zur Wehr, um den Wertverlust ihrer Grundstücke zu verhindern, wenn diese durch einen Zaun oder eine Mauer im Niemandsland liegen. Das ist der Rechtsweg, um den sich Trump nicht schert, weshalb er den (persönlichen) Notstand ausruft.
Die Notstandsgesetzgebung wurde im Jahr 1976 eingeführt, um dem Präsidenten ein schnelles Handeln in Notfällen zu ermöglichen und so die Krise, den Notstand rasch beenden zu können. Die Liste bisheriger Notstände ist lang. Doch kein bisheriger Notstand bediente derart schamlos den Egoismus eines Narziss.
Trump ist es nicht gelungen, einen Deal zu machen. Seit er im Amt ist. Denn das, was er als Deals verkaufen will, sind lediglich erpresste Vereinbarungen. Das dickste und stärkste Kind im Sandkasten macht auch keine Deals. Es setzt sich drauf und damit durch. Diesmal ist es anders:
"Mit der Ausrufung eines fingierten Notstands schickt er sich endgültig an, das Fundament der amerikanischen Verfassung zu untergraben."
Er schickt sich nicht an. Er tut es bereits. Hat er bisher "nur" multilaterales Porzellan zerschlagen durch willkürliche Vertragskündigungen oder die ihm von der amerikanischen Verfassung gegebenen Rechte genutzt und sich die Macht durch latente Möchtest-Du-Deinen-Job-Behalten-Drohungen erhalten, verabschiedet er sich nun von der US-Verfassung. Damit beweist er, dass er nicht nur ungeeignet für das Amt ist, sondern untragbar.

Freitag, 8. Februar 2019

Maut-Maulerei

Detlef Drewes hat in der Augsburger Allgemeinen vom 8.2. anlässlich des Gutachtens zur deutschen PKW-Maut einen Leitartikel veröffentlicht:


Detlef Drewes schreibt:
"Niemand hatte daran geglaubt, dass ausgerechnet das höchste EU-Gericht die deutsche PKW-Maut retten könnte."
Umso interessanter ist die Lektüre der Ausführungen des Gutachters:
"Kurz gefasst verlangt das Diskriminierungsverbot, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen. Eine unterschiedliche Behandlung wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn sie auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen beruhte und in einem angemessenen Verhältnis zu einem legitimen Zweck stünde, der mit den nationalen Rechtsvorschriften verfolgt wird. [...]
Für die Feststellung eines Falles von Diskriminierung muss zunächst eine geeignete Vergleichsgröße gefunden werden: eine Person, die sich in einer vergleichbaren Situation befindet und aufgrund des identifizierbaren Merkmals eine günstigere Behandlung erfährt. Insoweit ist es nicht erforderlich, dass das Opfer der Diskriminierung oder der durch die günstigere Behandlung Begünstigte zu einem bestimmten Zeitpunkt als Menschen aus 'Fleisch und Blut' identifiziert werden: Es genügt, wenn aufgrund der angeblich diskriminierenden Maßnahme offensichtlich ist, dass diese Personen existieren. [...]
Folglich liegt, wenn beide Maßnahmen zusammen betrachtet werden – wie es die österreichische Regierung vom Gerichtshof verlangt –, offensichtlich keine weniger günstige Behandlung ausländischer Fahrer vor: Für jedes in einem anderen Mitgliedstaat zugelassene Fahrzeug, das auf deutschen Autobahnen genutzt werden wird, wird, damit es dort genutzt werden darf, an die deutschen Behörden stets ein geringerer Betrag gezahlt werden als der, der vom Halter eines in Deutschland zugelassenen Fahrzeugs desselben Modells entrichtet wird. [...]
Abschließend ist festzustellen, dass es der österreichischen Regierung nicht gelungen ist, ihren Standpunkt in Bezug auf zwei Diskriminierungsgrundsätze überzeugend darzulegen: Zum einen befinden sich die beiden Gruppen von Personen, die sie verglichen hat, in Bezug auf die von ihr beanstandeten Maßnahmen nicht in einer vergleichbaren Situation. Zum anderen konnte sie keine weniger günstige Behandlung darlegen, die die in Rede stehenden Maßnahmen für die Fahrer ausländischer Fahrzeuge bedeuten würden."
Nach dem Gutachten liegt also keine Diskriminierung vor. Wir werden sehen, ob das Gericht diesen Argumenten folgt - in der Regel ja. Doch ungeachtet der rechtlichen Zulässigkeit einer solchen Mautkonstruktion weist Detlef Drewes zu Recht auf die inhaltlichen Fehler hin:
"Wer viel fährt, zahlt auch viel. [...] Das ist der wohl wichtigste Einwand, der bedauerlicherweise vor dem Gerichtshof keine Rolle gespielt hat. Obwohl auch diese Vorgabe in den europäischen Richtlinien zur Maut ausdrücklich festgeschrieben wurde, durchgesetzt wird sie nicht."
Deutschland führt also eine Maut ein, die europäischen Vorgaben widerspricht. Sollte in den nächsten Jahren eine europäische Maut kommen, ist die deutsche nur noch Schrott. Und mit ihr die Apparaturen und Infrastrukturen, die für die deutsche Maut gebaut wurden.
Detlef Drewes weiter:
"Hinzu kommt die weiter offene Frage, ob sich die Installation und der kostspielige Betrieb eines Mautsystems überhaupt lohnt. [...] Mit anderen Worten: Im besten Fall kann die Bundesregierung gut 80 Kilometer unserer Schnellstraßen finanzieren - im ungünstigsten Fall gerade mal fünf."
Es wird also ein Mautsystem eingeführt mit riesen Brimborium, um dann eine Autobahn zu bauen über eine Länge, die eine bequeme Tagesetappe einer Radtour umfasst.
Detlef Drewes weiter:
"Die Pkw-Maut ist eine Einzelmaßnahme, die keine Antwort auf die Frage liefert, welche Rolle das Auto [...] spielen soll, neben der Bahn, neben dem öffentlichen Personennahverkehr, neben Carsharing, neben anderen Verkehrsmitteln wie Fahrrädern oder Bussen."
Ein Minister, der unbeeindruckt von den aktuellen intensiven Diskussionen über Motorisierungen, über Verkehrskonzepte, über Umwelt- und Luftreinhaltung etc. auf eine solche Einzelmaßnahme setzt, hat seine Aufgabe verfehlt. Denn der Minister hat die Aufgabe, die Zukunft zu gestalten und nicht nur das Heute zu verwalten.
Die Maut ist also eine Einzelmaßnahme mit Ablaufdatum, deren Lenkungseffekt gleich Null und deren Wirtschaftlichkeit höchst fragwürdig ist. Doch Andreas Scheuer beharrt darauf, die "Maut-Maulerei" aus Österreich müsse nun aufhören.
Der Begriff ist falsch gewählt. Österreich kritisiert die Maut mit einem für den Gutachter nicht stichhaltigen Argument. Maut-Maulerei war die Einführung der Maut. Da wurde über Gerechtigkeit schwadroniert, die Ausländer müssten endlich ihren Beitrag zahlen, es könne nicht sein, dass sie gratis über vom deutschen Steuerzahler finanzierte Autobahnen führen. Maulerei auf Stammtischniveau.
Es wird ein technisches Monstrum entwickelt werden, das von einem Unternehmen realisiert werden soll, in dem ein ehemaliger Mitarbeiter des Verkehrsministeriums in der Geschäftsführung sitzt: Stefan Stadler ist Geschäftsführer Qualität. Wie nah das Verkehrsministerium der Wirtschaft war, lässt sich über Jahre nachvollziehen. So vielleicht auch hier: Es geht nicht um Einnahmen aus der Maut. Es geht um ein Ruhekissen für ausgeschiedene verdiente Mitarbeiter, die weiter verdienen sollen. Für deren Zukunft wird vorgesorgt. Nicht aber für die Zukunft der Mobilität in Deutschland.