Freitag, 23. November 2018

Merz in Schwung

Martin Ferber hat in Printausgabe der Augsburger Allgemeinen vom 23.11. einen Kommentar veröffentlicht zu den Aussagen von Friedrich Merz, das individuelle Asylrecht müsse in Frage gestellt werden:


Nähere Informationen zu den Aussagen von Merz sowie zu den Reaktionen darauf finden sich in einem Bericht in der gleichen Ausgabe:
"Bei einer CDU-Veranstaltung in Thüringen hatte Merz gesagt, er sei schon lange der Meinung, 'dass wir bereit sein müssten, über dieses Asylgrundrecht offen zu reden, ob es in dieser Form fortbestehen kann, wenn wir ernsthaft eine europäische Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik wollen'."
Die Welt schreibt über die getroffenen ursprünglichen Aussagen:
"'Deutschland ist das einzige Land auf der Welt, in dem ein Individualrecht auf Asyl in der Verfassung verankert ist', hatte er formuliert. Wenn man aber eine europäische Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik ernsthaft wolle, müsse auch offen darüber geredet werden, ob dieses Asylgrundrecht 'in dieser Form fortbestehen' könne. Deshalb müsse man 'irgendwann einmal eine große öffentliche Debatte darüber führen, ob man einen gesetzlichen Vorbehalt ins Grundgesetz schreibt', sagte Merz weiter."
"'Wir kriegen keine europäische Lösung hin, darüber dürfen wir uns nun gar keine Illusionen machen, wenn wir alles mit den Europäern zusammen vereinbaren, und es dann immer noch ein Individualgrundrecht auf Asyl in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union gibt, nämlich der Bundesrepublik Deutschland', hatte er in Seebach gesagt."
Merz hat damit die bisherige konservative Hoffnung in der CDU - Jens Spahn - rechts überholt. Mit Vollgas. Wenn man so mag wird Jens Spahn nun zerrieben zwischen dem noch konservativeren Merz und der viel weniger konservativen Kramp-Karrenbauer.
Die Reaktionen folgten prompt. So berichtet die AZ:
"Der langjährige CDU-Spitzenpolitiker Norbert Blüm kritisierte den Merz-Vorstoß scharf. 'Das Spiel mit der Flüchtlingspolitik halte ich für dumm', sagte Blüm unserer Redaktion. Der 83-Jährige, der unter Helmut Kohl 16 Jahre Bundesarbeitsminister war, warnte seine Partei: 'Wer die AfD kopiert, macht einen großen Fehler, denn am Ende profitiert davon immer das Original.'"
Ja, davon kann die CSU berichten, wie wenig das Auftreten als AFDkopie hilfreich ist, die AfD zurückzudrängen und Wähler weg von den Rechtspopulisten hin zu Politik zu führen.
Doch Merz kopiert gut. In bester Manier der Rechtspopulisten macht er eine Aussage, die erwartbar zu heftiger Kritik führen würde. Danach rudert er zurück:
"Später bemühte er sich, die parteiübergreifende Aufregung über seinem Vorstoß zu dämpfen. 'Ich stelle das Grundrecht auf Asyl selbstverständlich nicht in Frage', betonte er."
Merz ist kein dummer Mensch. Warum trifft er eine Aussage, die geradezu provoziert? Es handelte sich um eine Regionalkonferenz zur Bewerbung um den CDU-Parteivorsitz, die von den Landesverbänden Sachsen und Sachsen-Anhalt ausgerichtet wurde. In seinem Kommentar vermutet Martin Ferber:
"Friedrich Merz wollte offenbar sein konservatives Profil schärfen und bei den Gegnern der Merkelschen Flüchtlingspolitik punkten."
Und bewertet, Merz habe in "der Tat hat Merz damit ein klassisches Eigentor geschossen". Merz macht den Eindruck, er wolle eine Art Seehofer der CDU werden. Das Asylrecht nach Art. 16a GG wird lediglich in etwas mehr als ein Prozent der Asylanträge gewährt. Es ist deshalb kein Thema, das ein großes Problem darstellt. Martin Ferber weist hin:
"Das Problem ist nicht das geltende Recht, sondern die Anwendung und Umsetzung des geltenden Rechts, da selbst abgelehnte Asylbewerber hunderttausend Schlupflöcher finden, um doch im Land zu bleiben."
Deshalb ist die Annahme sehr valide, Merz habe seine These aus symbolischen Gründen, zum Befeuern einer wie auch immer gearteten Stimmung getätigt. Wenn es der AfD gelingt, Ihre Themen und "Lösungen" so in andere Parteien zu implantieren, dass sie dort zu Politik etablierter Parteien werden, dann hat die AfD und der Rechtspopulismus gewonnen. Unabhängig von Wahlergebnissen.

Freitag, 9. November 2018

Gesteuerte Hysterie

Simon Kaminski hat in der Printausgabe der Augsburger Allgemeinen vom 9.11. einen Kommentar veröffentlicht zu der Aufregung um den sog. Migrationspakt:


Simon Kaminski titelt mit "Gesteuerte Hysterie", was zutreffend die Aufregung beschreibt, die dem "Globalen Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration" entgegen gebracht wird.
Worum es tatsächlich geht, findet sich in einem anderen Beitrag der Augsburger Allgemeinen:
"'Der Pakt ist kein völkerrechtlicher Vertrag und nicht rechtsverbindlich', heißt es aus dem Auswärtigen Amt. Die Ziffer 15 ist klar formuliert: 'Es ist das souveräne Recht der Staaten, ihre nationale Migrationspolitik selbst zu bestimmen.'"
"Es werden 23 Vorgaben gemacht. So sollen verlässliche Daten über die Migration gesammelt werden, Migranten sollen Ausweispapiere erhalten, Migranten sollen nur als letztes Mittel festgesetzt werden dürfen, und die Staaten sollen ihre Grenzsicherung koordinieren. Laut dem Pakt sollen Migranten Zugang zu Grundleistungen erhalten, darunter fällt Schulbildung für Kinder. Diese Leistungen gehen aber nicht über die Angebote hinaus, zu denen sich Länder wie Deutschland, die Schweiz, Österreich oder Luxemburg ohnehin selbst verpflichten."
Damit ist klar, dass es zu keinem Eingriff in staatliche Souveränität kommen soll. Dies ist explizit so formuliert im Originaltext, bereits in der Präambel, Punkt 7
"[...] wahrt die Souveränität der Staaten und ihre völkerrechtlichen Pflichten."
Die Aufregung ist aus zwei Gründen so groß.

Politisches Vorgehen

Simon Kaminski schreibt:
"Seit Jahren verhandeln fast alle Nationen dieser Erde über diesen [...] Pakt. Doch die Bundesregierung versäumt es, die Öffentlichkeit zu informieren."
Das ist schwach, kurzsichtig. Vielleicht liegt es nach wie vor an der Schwierigkeit, die Parteien im Umgang mit der AfD haben. Sie haben kein Rezept, mit diesen Faktenverdrehern, Verschwörungstheoretikern, Elitenverächtern und mehr oder wenig stark ausgeprägten Rassisten umzugehen. Dabei ist klar, dass ein solcher Pakt nicht geheim gehalten werden kann. Und er darf es auch nicht. Denn weil er rechtlich unverbindlich ist, kann er nur dann irgendeine Wirkung entfalten, wenn er bekannt ist und diskutiert wird. Die Regierung hat selbst dafür gesorgt, dass die Wogen nun so hoch schlagen.
Die deutsche Regierung gibt sich jedenfalls nicht die Blöße, die sich der österreichische Kanzler Sebastian Kurz gibt, der von Strache getrieben aus dem Pakt überhaupt aussteigt.

Aufgebauschte Inhalte

Dabei gibt es von den Inhalten her weder einen Grund, den Pakt geheim zu halten, noch gibt es einen Grund für die Behauptungen der AfD, es würde nun zu einem Massenansturm Migrationswilliger kommen. Die AfD lügt, wenn sie die Aufgabe nationaler Souveränität an die Wand malt. Die AfD lügt, wenn sie behauptet, es würde ein Recht auf legale (statt reguläre) Migration entstehen. Die AfD lügt, wenn sie das Einsickern in nationale Rechtssprechungen über Gewohnheitsrecht oder "Soft-Law" behauptet.
Wo Faktenverdrehungen nicht ausreichen, wird eine Verschwörung konstruiert. So twittert Götz Frömming am 8.11. um 2:28 Uhr:
"Vieles spricht dafür, dass die Bundesregierung eine treibende Kraft bei der Aufsetzung des #GlobalCompact für Migration war, aber eine öffentliche Debatte in Deutschland verhindern wollte."
Unterstützt wird diese Kritik von der Bildzeitung, die fordert, die Bundesregierung müsse 16 Punkte erklären. Manche versteigen sich in Theorien, nach denen Georgo Soros alles bezahlen würde, um Europa auszuradieren.
Es ist als Mittel politischer Aktivität natürlich zulässig, Vorkommnisse unterschiedlich zu gewichten und zu bewerten, von unterschiedlichen Grundstellungen auf die Vorkommnisse zu schauen. Wenn jedoch nicht mehr die Bewertungen gegeneinander gestellt werden, sondern bereits faktenfreie Behauptungen aufgestellt werden, greift das das an, was die Demokratie zu erreichen verspricht: die beste Lösung zu finden. Wer mit Hysterie und Lügen Politik macht, kann das Etikett "Demokrat" nicht mehr für sich in Anspruch nehmen. Das gilt für die AfD genau so wie für Donald Trump.